Thor ist jetzt ein capetragender Frosch. Damn … Marvel
Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über die aktuelle Woche in Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
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Es gibt ein paar ungeschriebene Gesetze im Superheld*innenbereich: Alle paar Jahre wird ein Comicuniversum rebootet, Comicfiguren sind nie richtig tot und können jederzeit wiederbelebt werden und wenn eine Schwarze und/oder weibliche Figur in die Fußstapfen einer bisher männlichen, weißen tritt, dann gibt es Stress. Letzteres nenne ich die „Legacy Hero Latency“.
Legacy Heroes bezeichnet Figuren, wie zum Beispiel Falcon, der (wie vorher in den Comics) im Laufe der Marvel-Serie Falcon and the Winter Soldier erst das Schild und dann den Namen plus das Kostümdesign von Captain America übernimmt. Miles Morales wurde Spider-Man als Peter Parker in dessen Universum starb. Kate Bishop ist genauso wie Clint Barton unter dem Namen Hawkeye bekannt. Clark Kents Sohn Jonathan Kent ist der aktuelle Superman in den Comics, solange sein Vater außerirdischen Pflichten nachgeht. Legacy Heroes treten das Erbe, die Legacy, ihrer Vorgänger*innen an. Daraus resultiert dann ziemlich häufig eine Legacy Hero Latency. Denn mit manchmal geringer, manchmal großer Zeitverzögerung/Latenz zu dieser Beerbung beschwert sich meistens jemand darüber, dass „Captain America Schwarz“, „Hawkeye weiblich“ und „Superman bisexuel gemacht wurde“. Das kann Tage oder mehrere Jahre nach dem eigentlichen Event passieren. Es folgt das übliche Gepöbel über „political correctness“ und „woke culture“. Gern wird auch behauptet, dass ja eigentlich niemand etwas gegen weibliche, Schwarze, queere Figuren hätte, aber niemand dürfte die alten ikonischen Figuren verändern. Stattdessen sollen die Verlage neue Charaktere mit den entsprechenden Attributen schaffen. Dass bei dem Legacy Hero-Prozess niemand ausgewechselt wird, sondern jemand mit demselben Namen dazukommt, scheint dabei vollständig ignoriert zu werden.
Es gibt mehrere Antworten auf die Frage, warum manche in diesen Zustand der ignoranten Rage geraten, wenn es um fiktive Comicfiguren geht. Die kurze ist: Rassismus, Sexismus und Homophobie. Eine ergänzende Theorie stammt von William Proctor und hat etwas mit einer toxischen Form von Nostalgie zu tun. In seiner Analyse zu den Reaktionen auf Paul Feigs Ghostbuster von 2016 Bitches Ain’t Gonna Hunt No Ghosts begründet er die wütende Reaktion im Netz auf den all-Female Cast des Films mit etwas, das er „totemic nostalgia“ nennt. Personen, die in diesen fast infantilen Zustand geraten, hätten das Gefühl ein Original, mit dem sie in ihrer Kindheit eine starke Bindung aufgebaut haben, vor äußeren Einwirkungen schützen zu müssen. Das schließt rassistische, sexistische und homophobe Beweggründe nicht aus, aber fügt dem ganzen ein weiteres Erklärungsmuster hinzu.
In den letzten Wochen gab es mehrere Ausbrüche von Hero Legacy Letancy auf Twitter. Erst haben mehrere Accounts, fast ein Jahr nach der Falcon and the Winter Soldier-Serie und acht Jahre nachdem Falcon in den Comics zu Winter Soldier wurde, darauf hingewiesen, dass Steve Rogers der einzige Captain America sei. Vor ein paar Tagen twitterte jemand „Wolverine is a Woman now??? Damn … marvel“. Laura aka X-23 hat 2014 eine eigene Comicreihe unter dem Titel All-New Wolverine bekommen. Logan, der erste Wolverine, trat damals vor allem als Mentor auf.
Auffällig ist, dass wütende Reaktionen ausbleiben, wenn männliche Figuren andere beerben. Einer der Personen, die darauf bestand, dass es nur einen Captain America gäbe, twittert unter dem Namen Green Lantern und hat Hal Jordan als Profilbild. Ironischerweise ist Jordan selbst ein Legacy Hero. Der erste Green Lantern ist Alan Scott. Auch habe ich keinerlei Beschwerden gehört als ein Frosch in Thorklamotten (Throg!) auf dem Cover von Thor #18 war. Wo waren die „Thor ist jetzt ein capetrangeder Frosch? Damn … Marvel“-Tweets!
Andere Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Gerüchte besagen, dass die Dreharbeiten zu Joker 2 2023 beginnen sollen.
Neue Plakate und Teasertrailer für The Batman
Marvel Comics kündigt eine Hochzeit von Iron Man und Hellcat an.
Das neue Moon Knight-Comic (April 2022) verspricht künstlerisch experimentell zu werden.
Zweite Staffel von Peacemaker und ein zweiter Spin-Off von The Suicide Squad-Spin sehr wahrscheinlich
Vertrag für The Flash-Schauspieler Grant Gustin für eine neunte Staffel ist in Arbeit.
Der Release für das Suicide Squad-Spiel wurde auf 2023 verschoben.
J.K. Simons als James Gordon auf dem Set von Batgirl
Die zweite Staffel von Raising Dion ist auf Netflix gestartet.
Superheld*innen in Netz
Es ist etwas her, dass Substack verkündet hat, dass sie mit mehreren Comickünstler*innen zusammenarbeiten werden. Ich hab im September darüber geschrieben. Bis vor Kurzem ist dann allerdings nicht so viel passiert. Dann gab es aber diese Woche eine ganze Reihe von Ankündigungen. Der Comicbranchen-Newsletter Comic, Fyi von Graeme McMillan berichtete über angekündigte Comics von Grant Morrison, Brian K. Vaughan, Niko Henrichon, Jen Bartel, Khary Randolph, Tom King und Elsa Charretier. Letztere veröffentlichten am selben Tag den ersten Teil ihres Substack-Comics Love Everlasting (gratis). Ob wir uns jemals daran gewöhnen können, Comics als Newsletter zu bekommen, bleibt abzuwarten. „Substack feels a lot like when my grandpa used to forward big e-mail chains to us all, except now the grandpa is comics creators“, schreibt @dallas_comics auf Twitter.
Außerdem gab es ein paar gute Cosplays von King Pin (Hawkeye), Vigilante (Peacemaker) und Jay Nakamur (Superman: Son of Kal-El). Der Podcast 99 Percent Invisible hat eine sehr gute Folge zur Figur Punisher gemacht. Und die DC-Accounts auf Twitter machen Werbung mit Wordle-Memes.
Comics, Comics, Comics
Fantastic Four: Life Story #6
Wer sich eine gute Übersicht über die Geschichte des Fantastic Four-Teams wünscht, der*dem sei diese abgeschlossene Reihe empfohlen. Von den 60ern bis heute erzählt sie alle Highlights der Gruppe: deren Originstory, die Zusammenarbeit mit Spider-Man und dem Galactus-Großevent. Kleinere Auftritte von Namor und Silver Surfer gibt es auch.
One Star Squadron #3
Ich mag off-brand-Superheld*innen sehr gerne, weil sie die Möglichkeit haben, weniger heroisch zu sein und parodistische Töne anklingen zu lassen. One Star Squadron handelt von einer Gruppe schlecht situierter Held*innen, die für das Unternehmen Hero4U arbeiten, einer Art Arbeitsagentur für Individuen mit Superkräften, die kein Jahresgehalt von der Justice League ausgezahlt bekommen. Permanent besteht die Sorge, dass Investor*innen abspringen könnten und Mitarbeiter*innen konkurrieren um einzelne Jobs.
X-Cellent #1
Noch ein Konglomerat an off-brand-Figuren. Peter Milligan und Michael Allred hatten Anfang der Nullerjahre eine Comicreihe über das Team X-Statix, angeführt von Zeitgeist, einem Antihelden mit der Fähigkeit, ätzende Säure zu spucken. Jetzt gibt es eine Fortsetzung von den ursprünglichen Künstlern. Das Artwork ist, wie schon damals, fantastisch, die Charaktere bewusst unsympathisch geschrieben.