Der Markt macht hässliche Marvel-Filme
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Visuelle Effekte in Big-Budget-Filmen werden in der Regel behandelt wie deutsche Übersetzungsarbeit von Büchern aus dem Ausland: Meistens nehmen sie die wenigsten zur Kenntnis und wenn, dann nur, um sie zu kritisieren. Dabei herrscht entweder eine allgemeine Abneigung gegenüber CGI (Computer Generated Imagry) in Spielfilmen oder es wird sich über unrealistisch wirkendes Bildmaterial beschwert. Als jemand auf Twitter die „Cinematography“ des Thor 4-Trailers lobte, kamen direkt Gegenstimmen. Das wäre alles CGI, schrieb wer, als würde das den Film automatisch schlechter machen. Bei den ersten Bildern zur Marvelserie She-Hulk äußerten sich einige belustigt darüber, wie schlecht die Animationen aussahen, trotz 20 Millionen Dollar Budget pro Folge.
Diese Woche war anders. CGI-Enthusiast*innen, -Kritiker*innen und Laien kamen zusammen, um sich über einen Teilaspekt von CGI zu ärgern, den bisher die meisten ignoriert hatten: Arbeitsbedingungen von Visual-Effects-Künstler*innen. Angefangen hat es mit einem zwei Monaten alten Subredditpost, in dem sich jemand über die Zusammenarbeit mit Marvel Studios beschwerte. „Marvel has probably the worst methodology of production and VFX management out there“. Andere pflichteten dem Post bei: „I request to not work on them, movies and TV shows. Unfortunately, they're becoming our biggest client. They expect a smorgasbord of options so they can change their mind 3 more times.“ Mehr Aufwind hat das alles bekommen, als TheGamer darüber schrieb und Dhruv Govil, ehemaliger VFX-Artist (Visual Effects-Künstler) für Spider-Man: Homecoming und Guardians of the Galaxy, das zum Anlass nahm über die grauenhaften Arbeitsbedingungen in dem Bereich aufzuklären. Etwa eine Stunde nach Govils Tweet tauchte ein Ausschnitt von einem Vanity Fair-Video mit Thor: Love and Thunder-Regisseur Taika Waititi und Schauspielerin Tessa Thompson auf, in dem beide die visuellen Effekte ihres eigenen Films als „unecht“ bezeichneten. Fans, die gerade darüber aufgeklärt wurden, wie problematisch die Zusammenarbeit von Marvel Studios und den VFX-Studios ist, waren stinksauer. „I wish all digital vfx artists a very mass unionization“, tweetete wer und spielte damit darauf an, dass es aktuell keine Gewerkschaft im us-amerikanischen VFX-Bereich gibt. Noch am selben Tag erschien ein Youtube-Video mit dem Titel „Marvel Has a CGI Problem“. Tiktok und Twitter sind aktuell voll von Menschen, die sich sowohl über lieblose Animationen, unnötige Verwendung von CGI als auch die Arbeitsbedingungen von Visual-Effects-Künstler*innen beschweren. Sogar Snyder-Fanboys interessieren sich plötzlich für das Thema, weil Zack Snyder wohl mal nett zu VFX-Mitarbeiter*innen war.
Das alles ist nicht neu oder marvel-spezifisch. Der Dokumentarfilm Life after Pi von 2013 zeigt, wie einzelne VFX Studios zum Umzug gezwungen werden und Mitarbeiter*innen unbezahlte Überstunden machen müssen. Im Mittelpunkt der halbstündigen Doku steht das Unternehmen Rhythm & Hues, das für die Animation des Tigers in Life of Pi einen Oskar bekam; zu dem Zeitpunkt der Verleihung aber schon bankrott war. Auf etwa sechs Medienkonglomerate kommen unzählige VFX-Studios, wird dort erklärt. Disney und andere können dementsprechend den Preis und Zeitspanne für Aufträge im Wesentlichen bestimmen. Bezahlt wird nach Projekt und nicht nach Arbeitsstunden. Wenn Marvel, Sony oder andere Änderungswünsche haben, wird dieser Zusatzaufwand in der Regel nicht vergütet. „It‘s not to make the studios the bad guy or anything like that. It‘s just the model of how we have set up this business is flawed“, sagt Prashant Buyyala, ein ehemaliger Mitarbeiter von Rhythm & Hues.
Deutlich unverhohlener wird der „bad guy“ in dem oben genannten „Marvel has a CGI-Problem“ benannt: Kapitalismus. Marvel, wie alle anderen großen Studios auch, versuchen ihren Output möglichst zu maximieren und dabei den Preis zu minimieren. Deadlines werden immer knapper bemessen, um das gefühlt zwanzigste Projekt im selben Jahr umsetzen zu können. Weil VFX-Künstler*innen deutlich günstiger sind als manche Schauspieler*innen, werden teilweise ganze Sets digital animiert, um den Zeitplänen der Stars entgegenzukommen. Filmunternehmen haben inzwischen eine Größe erreicht, dass Regisseur*innen und Produzent*innen die Kommunikation mit VFX-Künstler*innen teilweise gar nicht mehr direkt übernehmen, sondern an andere auslagern. Alle klassischen Marktmechanismen sorgen hier dafür, dass sowohl Bedingungen als auch das finale Produkt schlechter werden.
Man kann nur hoffen, dass die jetzt öffentliche Wut etwas ändert. Marvel ist sich offenbar darüber im Klaren, dass die Fangemeinde aktuell über die unschönen Aspekte der Herstellung diskutiert. In einem aktuellen Interview im SFX Magazin betont She-Hulk-Regisseurin Kat Coiro, wie eng sie mit der Visual-Effects-Abteilung zusammengearbeitet hat, um die größtenteils animierte Protagonistin möglichst echt aussehen zu lassen. Über die schlechten Arbeitsbedingungen wurde allerdings kein Wort verloren. Offenbar muss das öffentliche Ärgernis noch lauter werden.
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