Your Black Panther-Take are (still) trash
Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über die aktuelle Woche in Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
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Aus jedem Marvel-Film resultieren mindestens zwei Dinge: Mehrere Tonnen Plastikspielzeug und die unsinnigsten Behauptungen zu Kino, die ich je gehört habe. Das betrifft ganz besonders alles, in dem eine Frau oder eine BiPOC die Hauptrolle spielt, aber dazu später mehr. Letzte Woche erschien der zweite Teil von Black Panther. Ich habe beim fluter darüber geschrieben. In kurz: Der Film bietet eine sehr gelungene Mischung aus klassischer Superheld*innengeschichte und einer emotionalen Verabschiedung vom verstorbenen Schauspieler Chadwick Boseman, bei der Kontext- und Erzählebene absichtlich verschwimmen.
Man hätte noch viel mehr dazu schreiben können, wenn Zeit und Raum dafür gewesen wäre. Über den Archetyp der Kriegerin und toxische Maskulinität zum Beispiel. Oder die afrofuturistischen Elemente aus dem ersten Teil, die in dem Nachfolger um Aspekte der mayanische Kulturgeschichte erweitert wurden. Die deutliche Kritik an einer postkolonialer Gesellschaft und der vermeintlichen Vormachtstellung des Westens. Hier sind ein paar Medienstücke zu dem Film, die ich mochte:
Black Panther: Wakanda Forever continues series quest to recover/celebrate lost culture von Julian C. Chambliss
Hell of a Weeks Interview mit Okoye-Schauspielerin Danai Gurira
Sehr berechtigte Kritik über die Queerness-Darstellungen in Wakanda Forever von Rachel Kiley
Mit was ich mich aber jetzt stattdessen gezwungenermaßen beschäftigen muss, sind die vielen katastrophal falschen Aussagen, die zu dem Film gemacht wurden. Ich meine damit nicht kleine inhaltliche Fehler, sondern Textformen, in denen sich Kommentator*innen bewusst dafür entschieden haben, einen Großteil aller verfügbaren Informationen zu ignorieren, Inhalte zu Provokationszwecken falsch wiedergaben und mit ihren Interpretationen Kernpunkte der Geschichte vollständig zu verfehlten.
„Your Black Panther Takes were trash“ ist die Hauptthese des Schwarzen Youtubers F.D. Signifiers in seinem sehr guten Videoessay, das ich jedem ans Herz legen möchte und auf das sich der Titel meines Newsletters bezieht.
„For generations of black people in america the images of Africa have usually been pitiful“, erklärt er. Trotz einiger Probleme sei der erste Teil von Black Panther allein deswegen subversiv, weil er keine versklavten und traumatisierten Schwarze Menschen zeigten, um im schlimmsten Fall vom weißen, männlichen Helden gerettet zu werden. Stattdessen standen stolze, mächtige Schwarze Figuren im Mittelpunkt eines multimilliardenschweren Projekts. „This started to feel less like another Black movie and more like a Black event“, erzählt F.D. Signifiers. Viele Kritiker*innen hätten nicht verstanden, dass es sich für Schwarze Zuschauer*innen hierbei nicht um einen weiterer Marvelfilm handelte, sondern um einen Ausdruck von „Black Pride“ und ein Gegengewicht zur 2018 sehr deprimierenden „Black experience in America“.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zum Schluss, dass das nicht nur eine Kompetenz-Frage ist. Nicht-Schwarze Zuschauer*innen können die Tragweite von Black Panther sicherlich schwerer nachfühlen. Aber offenbar wollen das auch viele gar nicht. „Es ist eine Fantasie, die mich ermächtigt, zumindest für einen kurzen Moment optimistisch zu sein – eine Ermächtigungsfantasie.“ schrieb ich auf 54Books einmal über das empowernde Gefühl, dass mir Superheld*innen-Filme geben. Dasselbe habe ich auch gespürt, als die neue Black Panther in Wakanda Forever zum ersten mal aus einem Flugzeug springt. Es ist durchaus möglich sich vorzustellen, warum diese Erfahrung für BiPOCs noch mal eine besondere ist; solange man das denn möchte.
Seit Tagen werden mir auf unterschiedlichen sozialen Netzwerken Takes zu Black Panther 2 in die Timeline gespült, die nicht nur falsch sind, sondern anmaßend und gefährlich. Schwarze Perspektiven und der Film als „Black event“ werden dabei ignoriert oder bewusst mit Füßen getreten. Eine Youtuberin bezeichnet den Film als rassistisch … gegenüber weißen Menschen. Ein anderer, den ich hier absichtlich nicht nenne, hält den Film wegen seines auffällig weiblichen Casts für anti-männlich. Auf seinem Thumbnail ist die Schauspielerin Brie Larson als Wakanda-Kriegerin abgebildet. Keiner weiß warum. Sie ist nirgendwo im Film zu sehen.
Sehr erstaunt war ich auch über die Behauptung, das Black Panther 1 und 2 von der neuen Rechten wegen seiner ethnopluralistischen Grundthese gefeiert werden würde. Vor dem Hinblick, dass sich die Bewertungsplattform Rotten Tomato noch kürzlich gegen eine rechtsextreme Facebookgruppe wehren musste, die dazu aufrief, schlechte Kritiken zu dem Film zu schreiben, klingt diese These im besten Fall kontraintuitiv. Der hervorragend recherchierte Text Black Panther and the alt right von Becca Lewis und Kinjal Dave erklärt zumindest, woher diese Behauptung kommt.
Offenbar sind einige Kritiker*innen auf ein Meme von 2017 hereingefallen. Darauf sieht man den Black Panther mit einer Trump-Cappy mit den Worten „Make Wakanda great again“. Populär gemacht hat das Bild der neurechte Youtuber BlackPigeonSpeaks. Ein Jahr vor Release des ersten Films 2018 rief er seine Fans dazu auf Black Panther lautstark zu unterstützen und sich in Kinovorführungen sehen lassen. Die Begründung: „For the giggle factor“ und „to confuse the far-left“. Bei manchen hat das offenbar funktioniert. Eine besondere Form von pseudointellektuellen „Filmkritiker*innen“ hat aus der These die Neurechten würden Black Panther mögen, Artikel, Podcastfolgen und lange Video gemacht. Ich wünschte, ich würde übertreiben.
In Zukunft möchte ich wieder über die vielen tatsächlich spannenden Facetten von Superheld*innen-Medien schreiben, statt mich und euch mit diesen quälend unangenehmen Inhalten aufhalten, weil sie deutlich zu viel zirkulieren. Vielleicht schreib ich das nächste mal über den Male Gaze und Hintern in Superheld*innen-Comics oder sowas.
Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Kevin Conroy, die Stimme von Batman, ist gestorben. Manche trauerten, in dem sie über gemeinsame Erinnerungen schrieben. Andere posteten Clips, die sie ihre Kindheit lang begleitet haben. An eine Batman-Statue in Burbank wurden Blumen gelegt. Vielleicht schreibe ich in nächster Zeit auch etwas über Conroy und wie wichtig er für mich war und ist.
Der Kinostart von Black Panther: Wakanda Forever hatte einige Crosspromotions zur Folge. Das digitale Kartenspiel MARVEL SNAP feiert den Release mit thematisch passenden Karten. Mehrere beeindruckende Street Art-Kunstwerke zirkulierten auf Twitter und Tiktok. Die neue Black Panther ist nun Teil des Avenger Campus von Disney Land. Und es gibt eine neue, fast lebensechte Action-Figur der Protagonistin (Spoiler für den Film im Link)
In Kuwait wird Black Panther leicht gekürzt gezeigt. Der Grund enthält Spoiler für den Fillm Außerdem: Das Genital von Namor Schauspieler Tenoch Huerta wurde in der Postproduction wegretuschiert, was zu einiger Belustigung führte.
Die Figur Darcy Lewis aus Thor 1, Thor 2 und WandaVision wird in der aktuellen Scarlet Witch-Reihe ihr Comicdebut haben.
Die geplante Disney+-Serie Armor Wars soll zu einem Film umgeschrieben werden.
Zu Werbezwecken wurde für das Spiel Marvel’s Midnight Suns ein weiterer Kurzfilm produziert.
Jemand hat einen riesigen Kühlschrankmagnet in Form von Thors Hammer gebaut
Agents of SHIELD-Schauspielerin Chloe Bennet hat auf Instagram ein Selfie gepostet, auf dem sie Gänseblümchen in ihre Socken gesteckt hat. Natürlich wurden daraus mehrere Artikel darüber, ob sie wieder in ihre Rolle als Daisy (Gänseblümche) schlüpfen wird.