Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über die aktuelle Woche in Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
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Es gibt soviel, was man an Superheld*innen-Filmen kritisieren kann. Fehlende Repräsentation, Militärverherrlichung, Whitewashing, die Heroisierung von toxischem Individualismus und Ignoranz gegenüber systematischer Ungerechtigkeit. Aber aktuell lese ich fast wöchentlich irgendeinen Hottake von einem älteren, weißen, männlichen Regisseur darüber, wie Superheld*innen-Filme das Kino, das geliebte Ci-ne-ma, zerstören und ich ertrage diese vage, selbstverliebte Form von Kritik nicht mehr. Anfang letzten Jahres setzte ich mich bei 54books mit Martin Scorsese Meinungsstück über Marvel-Filme in der NY Times auseinander. Mir ging es auch zu diesem Zeitpunkt nicht darum, dass ich etwas dagegen hätte, wenn irgendwer ein Multimilliarden-Unternehmen wegen seiner Monopolstellung kritisiert. Stattdessen hat mich der elitäre, vage Kunstbegriff gestört und die Art, wie dabei eine vergangene Welt des Kinos erträumt wird, die es so nie gegeben hat. Scorseses mittlerweile drei Jahre alter Text ist inzwischen zum Blueprint einer bestimmten Kritikform geworden, die auch immer massiv viel Aufmerksamkeit generiert.
In der Woche, in der Francis Ford Coppola, vor allem bekannt für der Pate und Apocalypse Now, Marvelfilme „despicable“ nannte, waren Filmmagazine und Feuilletons voll mit Texten darüber. Ähnliches passierte, als Denis Villeneuve während seiner Promo-Tour für Dune behauptete, „Marvel würde uns zu Zombies machen“, was übrigens eine spannendere Prämisse gewesen wäre, als die von Blade Runner 2049. Alien-Regisseur Ridley Scott bekam viel Aufmerksamkeit für seine Wutrede über Superheld*innenfilme in einem Interview, das eigentlich seinen neusten Film The Last Duel bewerben sollte. In den letzten Tagen hat sich sowohl Katastrophenfilm-Regisseur Roland Emmerich („Marvel and DC Comics and Star Wars have pretty much taken over. It’s ruining our industry a little bit, because nobody does anything original anymore.”) und dann Oceans 11, 12, 13, 8-Macher Steven Soderbergh („There’s no fucking. Nobody’s fucking!“) eher abfällig zum Genre geäußert.
Nicht alles an diesen Kritiken ist unberechtigt. Eine Anhäufung von Sequels, Reboots und Revivals (guter Text von Isabella Caldart dazu), bedeutet weniger vollständig neue Ideen im Kino. Aber das ist 1. kein superheld*innenfilme-spezifisches Problem und 2. möchte ich mir das nicht von Emmerich erklären lassen, zu dessen neusten Geniestreichen Moonfall gehört, ein Katastrophenfilm (Überraschung!) über den Mond, der auf die Erde fällt. Ich kann sehr gut damit leben, dass der achtzigjährige Ridley Scott die Art von Filmen „langweilig“ findet, aber ich wünsche mir sehr, dass Filmnewsseiten und das Feuilleton nicht aus jeder halbgaren Meinung zum Superheld*innengenre von älteren, männlichen, weißen Regisseuren etwa 30 Debattenbeiträge machen. Insbesondere dann, wenn diese Regisseure auf Nachfrage ausschließlich alte, männliche, weiße Regisseure als Beispiele für gehaltvolles Kino nennen können (Scorsese spricht von der guten alten Zeit, in der noch Filme von Jean-Luc Godard und Ingmar Bergman gelaufen sind).
Vieles, was in diesem Rahmen von sich gegeben wird, ist auch faktisch falsch. Soderberghs Äußerungen zum fehlenden Sex in Superheld*innen-Filmen lässt sich sehr einfach widerlegen, wie Marvel-Regisseur James Gunn diese Woche demonstriert hat.
Auch die Behauptung, Superheld*innen-Kino würde sich permanent selbst kopieren und hätte keine Möglichkeit, neue Geschichten zu erzählen, ist in Anbetracht von Ensemblefilmen, Satire wie The Boys und Adaptionen von Independentcomics wie Umbrella Academy und Jupiter‘s Legacy etwas übertrieben. Ich erwarte von diesen Herren nicht, dass sie sich mit dem Thema in all seinen Facetten beschäftigt haben. Mein Ärgernis richtet sich an die NY Times und andere Meinungsmacher*innen, die diesen Quatsch abdrucken, als hätten wir diese Art von abwertendem Gepöbel nicht schon in Bezug auf Fernsehen, Computerspiele und die meisten anderen neuen Erzählformen gehört. Bitte keine „Breaking: Dieser Regisseur findet Filme mit Capes doof“-Beiträge mehr.
Andere Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
DC plant ein neues Crisis-Event, das das Universum teils neustarten wird
Neues Plakat für Morbius und es sieht dem Poster für Shang-Chi ziemlich ähnlich
Russell Crowe wurde für den Kraven the Hunter-Film gecastet.
Dakota Johnson wurde für Spider-Man-Spin-Off Madame Web gecastet.
The Batman-Regisseur Matt Reeves veröffentlicht neue Musik zum Film von Komponist Michael Giacchino (Rogue One, Ratatouille und Up)
Musikerin Diamond White wurde als Stimme von Moon Girl gecastet
Promo Video für das im März erscheinende Captain Carter-Comic
Es wird eine Sequel/Semi-Reboot zu Marvels 2008-Comicreihe Secret Invasion geben (vermutlich um die gleichnamige Disney+-Serie zu promoten)
CW kündigt eine Gotham Knights-Spielfilm-Serie an
Neuer TV-Clip zu The Batman
Superheld*innen in Netz
Diese Woche war insbesondere Twitter mit dem neusten Robert Pattinson-Portrait im GQ-Magazin beschäftigt. Der The Batman-Schauspieler äußerte sich dort unter anderem über die Dreharbeiten zum Film und seiner Erfahrung mit den dazugehörigen Comics. „DC is the kind of emo comic. There’s a nihilistic side to it. Even the artwork is really, really different. So, hopefully, there are a lot of sad people in the world,” sagt er an einer Stelle, was einige im Netz dazu gebracht hat, noch mal ausgiebigst über die Behauptung „DC=dark, Marvel=funny“ zu diskutieren. „They can do both you dumbass motherfuckers!!!!“, postete jemand und fügte dem Tweet unter anderem extrem gewalttätige Moon Knight-Panels von Marvel hinzu. Tatsächlich haben beide großen Comicverlage schon immer mehrere Tonalitäten abgedeckt. Grant Morrison und Frank Quietly schufen 2005 das recht farbenfrohe DC Comic Allstar Superman. Im selben Jahr kam das eher düstere Marvel Zombies von Robert Kirkman (bekannt für Walking Dead) und Sean Philipps heraus.
Im gleichen GQ Portrait beschreibt Pattinson außerdem die erste Szene bei The Batman als „jaring“. Daraus resultierte ein Artikel von Variety samt Tweet, der fast 3000 Menschen dazu einlud darüber zu spekulieren, was genau diese Szene beinhaltet. Darunter unter anderem ein Bild aus der Batman-Serie von 1966 auf dem der Held auf einem Elefanten reitet, Batman wie er einen Hotdog hält und ein Gif von der Zeitrickserie Justice League Unlimited, das Batman zeigt, wie er I am Blue von Billie Holiday singt. Hier die ganze Szene, weil sie allgemein sehr sehenswert ist.
Comics, Comics, Comics
Suicide Squad: Blaze #1
Dieses Comic war diese Woche in aller Munde. Die zwei Comickünstler Simon Spurier and Aaron Campbell, die beide bekannt für ihre Arbeit an John Constantine: Hellblazer sind, haben aus den aktuell bekanntesten Suicide Squad-Mitgliedern King Shark, Harley Quinn, Captain Boomerang und Peacemaker eine Handlung gestrickt, die gleichzeitig spaßig und düster sein möchte. Und das funktioniert erstaunlich gut.
The Secret X-Men
Vor einem Jahr startete Marvel eine Abstimmung darüber, welche Comicfigur in das offizielle X-Men-Team aufgenommen werden soll. Wie erwartet kam es dabei zu einigen Schlammschlachten. Jede*r hatte seinen*ihren Liebling und wer noch keinen hatte, hat sich einen rausgesucht. Gewinnerin der Wahl war Polaris. Alle Verlierer haben nun ein Wiedersehen in The Secret X-Men.
Edit: Danke an @marivstheworld, der mich darauf hingewiesen hat, dass es um die Wahl letztes Jahr ging und nicht um die aktuelle.
The Batman & Scooby-Doo-Mysteries #11
Das vorletzte Heft des Crossover-Events, das sich offensichtlich an Kinder richtet, hat mich, wie auch die letzten Ausgaben, positiv überrascht. Mit viel Charme und Witz ist die Reihe eher vergleichbar mit LEGO-Batman und der TV-Serie aus den Sechzigerjahren, als mit der düsteren Comic-Haupthandlung.
Superheldenfilme sind radioaktiver Müll
Die Kritik an der Kritik über die Superheldenfilme ist berechtigt. Aber es war schon immer so bei- Erfolgsmodellen. Ich erinnere mich an die Kritiken nach dem ersten Star Wars Film Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Der Kritiker der etwas auf sich hielt, verriss den Film.