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Ganze vier Sekunden hat es gedauert. So lange sieht man Schauspieler Donald Glover aka Childish Gambino 2010 in der ersten Folge der zweiten Staffel von Community in einem Spider-Man-Schlafanzug. Ein kurzer Moment, der Massen an Menschen dazu gebracht hat, lautstark einzufordern, Glover müsse als Hauptfigur in dem damals frisch angekündigten Amazing Spider-Man-Film gecastet werden. Viele wollten so kurz nach der Trilogie mit Tobey Maguire (2002, 2004 und 2007) keinen weiteren „weißen“ Spider-Man, andere mochten einfach Glovers Arbeit. Fancasten nennt man das. Fans setzen sich begeistert dafür ein, dass ihre Lieblingsschauspieler*innen eine bestimmte Rolle bekommen. Selten sind diese Kampagnen erfolgreich. Auch in diesem Fall nicht. Trotz des viralen Twitterhashtags #donald4spiderman und einer Facebookgruppe mit etwa 8.000 Mitgliedern ging der Job schlussendlich an Andrew Garfield.
Zeitgleich passierte so einiges in dem von den (Sony-)Filmen vollständig losgelösten Marvel-Comicuniversum. In einem der zahlreichen Paralleluniversen (dem Ultimate Universe) sollte Peter Parker aka Spider-Man sterben. Warum ist unklar. Ich vermute, weil sich Hefte, in denen der Held stirbt, erfahrungsgemäß gut verkaufen. Inspiriert von der Glover-Kampagne schlug Comicautor Brian Michael Bendis vor, ein neuer Schwarzer, latinx Spider-Man könnte in Parkers Fußstapfen treten. Entstanden ist dabei Miles Morales. Inzwischen ist Miles Teil mehrerer Comicreihen, einer eigenen Zeichentrickserie und eines Computerspiels. Bendis, Vater von zwei Schwarzen Adoptivtöchtern, ist mittlerweile auch bekannt dafür, dass er das weiße-männerdominierte Comicuniversum ein wenig nachjustiert, indem er Schwarze, oft weibliche und queere Teenager-Figuren in den Mittelpunkt seiner Geschichten stellt. Neben Miles hat er noch Naomi und Riri Williams mitentworfen. Erstere bekam eine kurz laufende TV-Serie. Letztere war zuletzt in Black Panther: Wakanda Forever zu sehen und steht bald ebenfalls im Mittelpunkt ihrer eigenen Disney+-Serie. Bendis schrieb außerdem eine folgenreiche Szene in der der X-Man Iceman sein Coming Out hatte. Das Herz des Comicautors scheint definitiv am rechten Fleck, auch wenn sein Vorgehen manchmal ein wenig unbeholfen wirkt.
Wunsch-Spider-Man Daniel Glover haftet seit der Kampagne 2010 zumindest deutlich an der Spider-Man-Marke. Im ersten Fernsehauftritt von Miles Morales in Ultimate Spider-Man gab er Miles seine Stimme. Für Spider-Man: Homecoming bestand Regisseur Jon Watts darauf, dass Glover einen kurzen Gastauftritt bekommt, der Fans teilweise spekulieren ließ, ob er zukünfig Miles oder Miles Onkel spielen würde. Graphikdesigner Bosslogic hatte bereits ein Bild von Glover in Miles Anzug erstellt. Ein zweites Cameo von Glover in Spider-Man: Far From Home war geplant, wurde aber schlussendlich rausgeschnitten. Inzwischen hat Sony ihn als den etwas obskuren Spider-Man-Bösewicht Hypno Hustler in seinem eigenen Film gecastet.
Der ganze Fall scheint mir allerdings eher eine Ausnahme zu sein. In der Regel sind Fancastings nicht sonderlich erfolgreich und sorgen auch nicht für eine Kampagne, an die man sich noch zehn Jahre später erinnert. Marvel Schauspielerin Karen Gillan hat letzens darauf hingewiesen, dass sie gerne Poison Ivy spielen möchte und Fans haben bereits reagiert. Dwayne „The Rock“ Johnson brachte sich kürzlich als Luke Cage in Stellung. Bosslogic erstellt inzwischen regelmäßig Bilder zu Fancastings. Vor Kurzem hat er noch ein Bild von Nic Cage als Joker angefertigt. Ob all diese Bestrebungen jemals Erfolg haben werden, ist fraglich.
Am Ende entscheidet über eine Rolle eher Budget und Zeitplan als die Meinungen einiger Fans. Spannend sind Fancastings trotzdem, weil sie, wie das Beispiel Daniel Glover zeigt, etwas darüber aussagen, wie eine Figur gesehen wird und welche Art von Geschichten wir uns wünschen. 2010 wollten Fans nicht den immer gleichen Spider-Man, sondern etwas Neues. Bekommen haben sie es nicht, aber eventuell führen mehrere Zufälle schlussendlich doch zu einem Miles Morales-Film, wer auch immer ihn spielen wird. Es bleibt uns nur abzuwarten.
Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Neuer Trailer für The Marvel. Und natürlich kommt der misogyne Mob wieder aus seinen Löchern, um das Youtubevideo negativ zu bewerten. Vorwürfe gegenüber Mohan Kapur werden erneut diskutiert.
Neuer Trailer für The Flash. Kritik an Ezra Miller merkbar abwesend
Erster Trailer zu Kraven the Hunter wird auf der Messe CinemaCon gezeigt.
US-Politiker Webster Barnaby bezeichnet trans Menschen als Mutanten, was trans Comicfans und Cosplayer dazu bringt, ihre hervorragenden X-Men-Kostüme und entsprechend designte Transflaggen zu posten.
Mehrere Teaser und Clips zu Guardians of the Galaxy Vol. 3 [1, 2, 3, 4, 5, 6] veröffentlicht
Das Suicide Squad-Spiel wird erneut verschoben.
PR-Berater und Agent von Ant-Man and the Wasp: Quantumania-Schauspieler Jonathan Majors kündigen.
Oscargewinner Ben Kingsley wird Teil der Wonder Man-Serie sein.