Das P in SuPerheld*in steht für Profit
Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über die aktuelle Woche in Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
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In eigener Sache: Ich werde den September über im Urlaub sein und deswegen auch keine Newsletter schreiben. Wir sehen uns im Oktober.
Im Marketing gibt es eine recht simple Erklärung dazu, was Erzählungen ausmacht. Die „vier Ps des Storytellings“ sind – zumindest so wie ich es einmal gelernt habe – People, Places, Plot und Purpose. Es gibt sicherlich noch andere Aspekte, aber die wenigsten fangen mit P an und lassen sich dementsprechend nicht ganz so schön auf Powerpoint-Kacheln zusammenstauchen. Ich habe schon sehr lange nicht mehr an die vier Ps gedacht. In letzter Zeit bin ich bei Überlegungen zu Superheld*innen-Comics und -Kino allerdings immer wieder auf ein weiteres P gestoßen, das Storytelling in diesem Rahmen deutlich beeinflusst: Profit.
Im letzten Newsletter habe ich kurz erwähnt, dass Marvelmitarbeiter Stan Lee und John Buscema in den Achtzigerjahren in vergleichsweise sehr kurzer Zeit das erste She-Hulk-Comic aus dem Boden stampften. Grund hierfür war der Erfolg der CBS-Serie The Incredible Hulk mit Bill Bixby und kurioserweise Wrestler Lou Ferrigno, den man einfach grün angemalt hatte. Bei Marvel befürchtete man, dass CBS eine neue Serie mit einer weiblichen Version des Hulks starten könnte, an der der Comicverlag keine Rechte haben würde, also erfand der Verlag schnell selbst so eine Figur.
Die Geschichte des Superheld*innen-Comics ist voll von weitreichenden Storytelling-Entscheidungen, die eigentlich von Copyright-Auseinandersetzungen hinter den Kulissen ausgegangen sind. Todd McFarlane erschuf in Spawn. The Dark Ages #1 die Figur Domina, eine ziemlich eindeutige Kopie von Angela, ein anderer Charakter aus dem Spawn-Universum, an dem McFarlane keine Rechte hatte. Angela ließ er wenige Hefte später sterben. Aus einer Jahrzehnte überdauernden Auseinandersetzung zwischen DC, Marvel und Fawcett Comics enstanden die Figuren Shazam und mehrere Versionen von Captain Marvel. Und erst dieses Jahr kam heraus, dass Comicfigur Ms. Marvel ursprünglich als Mutantin im X-Men-Kosmos geplant war, schlussendlich aber aus Copyright-Gründen als Teil der Inhumans eingeführt wurde.
Letzteres ist für viele vermutlich eine verschachtelte, extrem nerdy Aussage. Dahinter versteckt sich aber tatsächlich eine ziemlich spannende Geschichte darüber, wie sich Profit – das fünfte P – auf Superheld*innen-Storytelling auswirkt. Angefangen hat es in den Neunzigerjahren als es Marvel finanziell schlecht ging und sie Filmrechte an unterschiedliche Studios verkauften. Unter anderem erwarb 20th Century Fox die Rechte an den X-Men. Zehn Jahre später erschien dann bereits der erste Film über die Mutant*innen mit Superkräften. Es folgten X2 und X3, vier Prequels, New Mutants, drei Wolverine- und zwei Deadpool-Solo-Filme. Als Marvel 2008 selbst ins Kinogeschäft einstieg, hatten sie zwar noch all ihre Comicrechte aber so wenige Filmrechte, dass sie auf obskure Figuren zurückgreifen mussten (wie auf den zu diesem Zeitpunkt wenig bekannten Iron Man oder die Guardians of the Galaxy). Ein Jahr später kaufte Disney dann Marvel und startete eine Milliarden-Film-Serie. Gerüchten zufolge gefiel dem damaligen Marvel-Vorsitzenden Ike Perlmutter nicht, dass man, seiner Meinung nach, mit den eigenen X-Men-Comics die Fox-Reihe bewarb und ließ buchstäblich eine Bombe platzen. Eine sogenannte Terrigen Bomb wurde in der Comicreihe Infinity gesprengt und sorgte im Marveluniversum für mehrere Gaswolken, die bei Kontakt bei allen mit „inhuman-DNA“ Superkräfte freisetzte. Die Inhumans, eine Zusammenschluss von Held*innen, die bis zu diesem Zeitpunkt kaum bekannt waren, bekamen dadurch deutlich Zuwachs. Wenige Jahre später in Death of X stellte sich heraus, dass sich die Gase auf eine andere Gruppe teils tödliche auswirkten: Die X-Men und andere Mutant’innen.
Niemand weiß sicher, ob man bei Marvel Comics wirklich die Auslöschung der X-Men plante. Allerdings fiel allen auf, wie viel Aufmerksamkeit die Inhumans – ebenfalls eine Gruppe von mutierten Außenseiter*innen – bekamen. 2015 gab es drei unterschiedliche Comicreihen über die Inhumans-Familie; außerdem jeweils eine Soloreihe über die inhuman Figuren Karnak und Kamala Khan aka Ms. Marvel. Letztere wurde, wie schon erwähnt, kurzfristig von Mutantin zu Inhuman umgeschrieben. Gleichzeitig tauchten in der zweiten Staffel von Agents of S.H.I.E.L.D. von 2014 ebenfalls Inhumans auf. Im selben Jahr wurde außerdem ein Inhumans-Film angekündigt, woraus dann später eine Serie wurde, die floppte.
Es ist recht still geworden um die Inhumans, seit Disney vor drei Jahren 20th Century Fox gekauft hat und Marvel Studios dadurch wieder die Rechte an den X-Men erhielt. Die neuesten Entwicklungen in der Ms. Marvel-Disney-Serie, die ich hier niemandem spoilern möchte, ergeben vor diesem Hintergrund ebenfalls Sinn. Dass die Geschichten über Charaktere, die viele von uns ins Herz geschlossen haben, dermaßen von Profit und kleinlichen Rechtsstreitigkeiten beeinflusst wird, mag erst mal ernüchternd sein. Manchmal, wenn man sich mit dem Kontext abgefunden hat und sich die teils absurden Hintergründe vor Augen führt, kann das Ganze aber auch Spaß machen.
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