Das Multiversum des Weihnachtsmanns
Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über die aktuelle Woche in Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
Unterstützen könnt ihr meine Arbeit mit 1 € Trinkgeld auf Kofi oder einem Abo. Subscriber*innen bekommen Zugang zu Zusatzinhalten wie Comictipps, Serienbesprechungen und dem Substack Chat, wo mir weitergehende Fragen gestellt werden können.
In eigener Sache: Ich mache den Dezember über eine kurze Newsletterpause. Ihr findet mich für Comic-Content auf Twitter. Bis zum 24. stelle ich dort täglich eine*n obskure*n Superheld*in vor. Außerdem hab ich einen Substack-Chat für Abonnent*innen eingerichtet. Hierzu braucht ihr die Substack App. Jetzt aber viel Spaß am sehr frühen Weihnachtsnewsletter:
Superheld*innen-Comics haben ein ambivalentes Verhältnis zu Kontinuität. Viele Charaktere leben zwar seit den Fünfzigerjahren im selben fiktiven Multiversum, werden aber oft umgeschrieben, wiederbelebt, gealtert oder verjüngt. Der X-Men Nightcrawler wurde als Baby entweder in einen Fluss geworfen, von einer Klippe fallen gelassen oder sachte auf ein schwimmendes Brett gelegt, je nachdem welchen Comic man liest. Doch auch wenn es regelmäßige Abänderungen gibt, bleibt der Kern einer Figur meistens gleich. Eine große Ausnahme: Der Weihnachtsmann. Santa Claus ist schon seit über siebzig Jahren Teil des Marvel- und des DC-Universums. Und jedes Mal wenn er auftaucht, scheint er aus unersichtlichen Gründen eine vollständig andere Figur mit anderen Eigenschaften und Fähigkeiten zu sein. Ob es nun unendlich viele Weihnachtsmänner in den Multiversen von Marvel und DC gibt oder ob es sich um ein und denselben Charakter handelt, der zwischen Universen hin und her springt, ist eine Frage, die mich vermutlich für immer nachts wachhalten wird. Fürs Erste möchte ich einfachheitshalber (wie letztes Jahr auch) ein paar Erzählungen über den Weihnachtsmann aus Marvel- und DC-Comics vorstellen.
Der Coca-Cola-Weihnachtsmann
Bereits Ende der Dreißigerjahre stößt Superman auf Santa. Basierend auf der Coca Cola-Version des Weihnachtsmanns aus Werbeanzeigen der Dreißiger trägt der dicke Mann mit weißem Bart seinen roten Mantel und eine Mütze mit Bommel. In Supermans Christmas Adventure hilft Superman Santa gegen Bösewichte mit subtilen Namen wie Dr. Grouch and Mr. Meaney. In Action Comics #105. macht jemand den Weihnachtsmann mit Hilfe magischer Schokolade dicker, sodass er nicht mehr durch Kamine passt. Superman muss ihm zur Seite springen. Ende der Sechzigerjahre taucht der wohlwollende Mützenträger indirekt auch bei Marvel auf, als ein fliegender Schlitten den Klon von Hitler daran hindert, eine Stadt zu bombardieren. (Comics ¯\_(ツ)_/¯ )
Santa Claus ist ein Superheld
Mainstreamcomics haben über die Jahre hinweg immer wieder versucht den Weihnachtsmann in ihre eigene Superheld*innen-Logik zu integrieren. In Marvel Holiday Special #1 von 1991 ist Santa Claus in einer Geschichte ein mächtiger Mutant, in einer anderen Thors Vater Odin, den die Menschen für den Weihnachtsmann halten. Und dass Santa nicht nur Superkräfte hat, sondern zu Heldentaten fähig, demonstriert Powerman and Iron Fist Sweet Christmas Annual: Krampus kommt auf die Erde. Als er weder von Luge Cage, Iron Fist noch Jessica Jones aufgehalten werden kann, muss eine besonders heroische Version des Weihnachtsmann einspringen.
Santa Claus ist ein Bösewicht
Wie die meisten mächtigen Superheld*innen wird allerdings auch Santa ab und an von seinen eigenen Fähigkeiten korrumpiert. In Marvel Holiday Spectacular von 2009 leiht er den Infinity Gauntlet (der, mit dem Thanos in den MCU-Filmen die Hälfte aller Wesen ausgelöscht hat), um pünktlich Geschenke austragen zu können. Dabei wird er verrückt und ein Geheimbund aus Superheld*innen, die Illuminati, muss ihn aufhalten. In DCU Holiday Bash bricht er außerdem durch sämtliche Schutzmaßnahmen von Darkseid, um ihm jährlich ein Stück Kohle zu bringen. Schließlich war der nicht artig. Und das ist gleichermaßen gemein und extrem lustig.
Im Visier von Auftragsmördern
Durch die Ambivalenz des Weihnachtsmanns zieht er auch immer mal wieder Hass auf sich. In zwei voneinander losgelösten Comics beauftragt jemand einen Auftragsmörder, um sich an ihm zu rächen. In der sehr neunziger Geschichte Lobo: Paramilitary Christmas Special bezahlt ein stark alkoholisierter Osterhase den Protagonisten dafür, Santa Claus zu ermorden. Fast zwanzig Jahre später wiederholt sich das Ganze, als enttäuschte Kinder in Deadpool #7 den verquasselten Auftragskiller ebenfalls auf den Weihnachtsmann ansetzen. Und auf einen Rachefeldzug geht Black Adam in New Year‘s Evil #1, als er bemerkt, dass niemand in seinem Umfeld Geschenke bekommen hat.
Die historische Figur Saint Nicholas
Dass der Weihnachtsmann auch auf der historischen Person Saint Nicholas von Myra beruht, wird in den Comics thematisiert. Allerdings auf die merkwürdigste Art und Weise. In Hellblazer #247 reist der Titelheld der düsteren Mystery-Comicreihe nach Italien, bricht in ein Mausoleum ein und klaut die Leiche von Saint Nicholas. Sein Ziel: Die Knochen zu zermahlen, um sie sich durch seine Nase zu ziehen. Im Rahmen des Universums sind Dinge, an die viele Menschen glauben, wie magisch aufgeladen. Constantine erhofft sich durch den Konsum entsprechend Macht. Ich hoffe, sie integrieren diesen Aspekt in die nächste Sandman-Staffel.
Das Traumland und Portale zu Taschendimensionen
Um Magie und andere Dinge im DC-Universum zu erklären, publizierte der Verlag die sogenannte „Sphere of Gods“. Dieser Versuch einer Karte ist auffällig unübersichtlich und sorgte 2015 mehr für Verwirrung als für Klarheit. Allerdings verrät es uns, dass der Weihnachtsmann in „Dream“ lebt; einer von 16 Dimensionen. Dorthin reist vermutlich der ehemalige Green Lantern Hal Jorden in The Spectre #12. Denn in dieser Welt wartet Santa auf ihn und erklärt in einer Art Gothic-Schriftart, dass er durch den Glauben der Menschen zu einem fleischgewordenen Konzept geworden ist. Bei Marvel erfahren wir nicht, wo der Weihnachtsmann genau herkommt und ob er zwischen den Dimensionen reist. Allerdings informiert das Official Handbook of the Marvel Universe über die Storage Dimension; ein magischer Ort auf den der Weihnachtsmann zugreift, wenn er seinen Sack öffnet.
Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Im Rahmen vom Comic Con Brasil wurden ein neuer Guardian of the Galaxy Vol. 3- Trailer und neues Videomaterial zu Antman and The Wasp: Quantumania gezeigt.
Deadpool-Schauspieler Ryan Reynolds interagiert mit einem Miss Minutes Account (Figur aus Loki) und Comicnews-Seiten springen drauf an.
Für das Spiel Midnight Suns wurde ein weiterer Videoshort veröffentlicht.
Künstler Shaun Harrison hat täuschend echte Fanart für eine fiktive Serie über den ersten Black Panther Bashenga gemacht.
Regisseur James Gunn hat Go-Bots im Guardians of the Galaxy Holiday Special zum Teil des Marvel Universums gemacht. Das wiederum hat einige dazu gebracht Panels aus dem sehr schrägen Go-Bot-Comic von 2018 zu posten.
Ein Mann rennt während eines Fußballspiels mit Superman-Shirt und einer Pride-Fahne aufs Feld.
Disney verkauft Poloshirts nach dem Design der Spider-Man-Serie aus den Neunzigerjahren.
Cosplayerinnen stellen die Postcredit-Szene aus Ms Marvel in einem Tiktok nach.