Bitte keine toten Onkel mehr
Eigentlich wollte ich diesmal über Superheld*innen-Videospiele schreiben und das neue Guardians of The Galaxy-Spiel, mit dem ich diese Woche eine Menge Zeit verbracht habe. Aber dann hatten sich ein paar von euch ein anderes Thema gewünscht: Originstories. Der neue Trailer zum Morbius-Film kam dann genau richtig.
Mehrere Fragen haben sich mir beim Sehen aufgedrängt: Jared Leto wurde trotz der Joker-Sache gecastet? Haben die wirklich einen „I am Venom“-Witz eingebaut? Und: Brauchen wir noch eine Originstory?
Der erste big budget Superheld*innenfilm (Superman) ist über 40 Jahre alt. Seitdem gab es so viele Filme über Ursprungsgeschichten, dass diese Art des Erzählens manchen auf die Nerven geht. „Hollywood decided that every superhero movie should be an origin story, dropping our spandex icons into a Groundhog Day loop of childhood traumas, first kisses, and clumsy jumps off high roofs“, schreibt Adam Markovitz im Entertaintment Weekly. „Do superhero movies always have to start with origins?“, fragt Mark Harrison auf Den of Geeks.
Zur Verteidigung des Superheld*innengenres: Manche dieser Filme sind Ensemblefilme (Birds of Prey, League of Extraordenary Gentlemen und X-Men). Außerdem wurde Spider-Mans Originstory innerhalb von 10 Jahren so oft erzählt, dass sie diesen Teil für die neuste Trilogie glücklicherweise ausgelassen haben. Ich weiß nicht, ob ich noch einen weiteren toten Onkel ertragen hätte. Mittlerweile habe ich nämlich auch eine Originstory-Fatigue und wünschte, die Filme und Serien würden möglichst bald zu den guten Sachen kommen. Ant-Man 1 war eine recht dröge Geschichte über einen Dieb mit einem Herz aus Gold, der doch nur für seine Tochter da sein möchte und am Ende zum Superhelden wird. Ant-Man and the Wasp hingegen war ein spaßiges Abenteuer mit einer Quantenwelt und einem riesigen PEZ-Zuckerspender. Warum braucht es vorweg immer eine klischierte Erklärung warum die Figur so ist wie sie ist?
Wie das Multiversum auch, ist der obsessive Wunsch, die Herkunft von Superheld*innen zu erklären, eine aus den Comics übernommene Tradition. Action Comics #1 beginnt 1938 die Geschichte von Superman mit dem Einschub, dass seine außerirdischen Eltern ihn mit einer Rakete auf die Erde geschossen haben, kurz bevor ihr Planet explodierte. Länge dieser Storyline: Drei Panels.
Die Historie des Genres hat zwar mit Originstories angefangen, aber war zu diesem Zeitpunkt noch ein rares Erzähltool. Dass Batmans Eltern erschossen wurden, wusste man Ende der Dreißiger zum Beispiel noch nicht. Er war einfach ein Multimillionär, der nachts Bösewichte verprügelte.
Etwas länger wurden Originstories um 1960. Autor Stan Lee ließ die Fantastic Four erst ein wenig Held*innentaten vollbringen, erklärte dann aber auf fünf Seiten, woher ihre Kräfte stammten. Angespornt von dem Erfolg dieser Comicreihe schrieb Lee kurze Zeit später die vergleichsweise ausladende Geschichte von Peter Parker, die wir heutzutage aus den Spider-Man-Filmen kennen.
Was den Reiz von Originstories ausmacht, ist eine Frage, die sich Psychologin Robin Rosenberg des Öfteren stellt. In ihren Büchern Psychology of Superheroes: An Unauthorized Exploration und Superhero Origins: What Makes Superheroes Tick and Why We Care behauptet sie, dass diese Erzählung zwei Zwecke erfüllt: Den Held*innen ein Ziel geben (Gutes tun etc.) und eine Beziehung zu Zuschauer*innen/Leser*innen aufzubauen. Die ganzen erschütternden Traumata, die uns da vor Augen geführt werden, sind zu unserer Unterhaltung geschrieben worden. Wir fühlen mit, wenn Eltern sterben und verzeihen Batman dann auch, wenn er den ein oder anderen Bösewicht vom vierten Stock eines Hauses fallen lässt.
Alles in allem braucht es keine Originstory, um einen glaubhaften, vielschichtigen Charakter einzuführen. Ich wusste lange nicht woher Doctor Strange kommt und woher er seine Kräfte hat. In den Comics, vor allem in der Serie von Brian K. Vaughan and Marcos Martin', ist er jemand, bei dem sich ab und an wer meldet, wenn sie*er Probleme mit der mystischen Welt hat – ähnlich wie bei Ärtz*innen, bloß für „ich habe ein Portal in meinem Schrank und es gucken Tentakel raus“-Dinge. Statt eine lange Geschichte über seine Entstehung oder ähnliches hätte ich im Kino viel lieber einen Episodenfilm gesehen. Jede Kurzgeschichte erzählt von einem anderen Problem.
Meine Hoffnung ist, dass die Originstory-Müdigkeit nicht nur bei manchen Fans einsetzt, sondern auch bei den Autor*innen und Filmstudios. Für eine Weile sah es zumindest so aus als würde Warner Bros mit Ensemblefilmen wie The Suicide Squad und Marvel mit ihren zunehmend verworrenen Handlungen ein wenig von klassischen Ursprungsgeschichten Abstand nehmen und zu den guten Sachen kommen. Diese ganze Jared Leto-Tortured-Genius-Show ist definitiv ein Schritt in die falsche Richtung.
Superheld*innen-Contenthaufen
Halloween hat auch dieses Jahr einige fantastische Superheld*innen-Kostüme hervorgebracht. Zu meinen Lieblingen gehören ein sehr süßes Paarkostüm von Monica Rambeau und Jimmy Woo aus der Serie WandaVision, ein Lowbudget Batmankostüm, ein extremst aufwendiges Groot-Cosplay und eine Familie, die sich als das Team von The Suicide Squad angezogen hat (inklusive Sebastian, die Babyratte!).
Außerdem noch meine drei Lieblingskürbisschnitzereien: Venom, Thanos, The Thing
Comics, Comics, Comics
Knighted #1
Gregg Hurwitz, unter anderem Autor für Batman und Moon Knight, hat sein eigenes Comic gemacht. Was dabei rausgekommen ist, ist ein Superheld*innen-Comic, das sich im Wesentlichen wie eine Komödie aus den frühen Neunzigern anfühlt. Ein frustrierter, glückloser Verwaltungsmitarbeiter bringt aus Versehen einen Superhelden um und schlüpft in seine Rolle. Zum Teil auf unangenehme Art male gazey.
Superman 78 #3
Nach Batman 89 gibt es nun auch eine Superman-Geschichte, die auf der Filmversion des Helden von 1978 basiert. Das heißt: Clark Kent in einem grauen Dreiteiler, ein nach Kevin Spacey aussehender Lex Luthor und natürlich: Eine zweiseitige Originstory.
TMNT Best Of: April O‘Neil #1
Wenn ich ehrlich bin, sprechen mich die Best of Teenage Mutant Ninja Turtles-Comicsammlungen vor allem wegen der minimalistischen Cover von James Biggie an. Dieser Band zeigt aber noch zusätzlich ziemlich gut, wie sich April O‘Neil vom profillosen Sidekick zur kickass Spionin entwickelt. Außerdem: Raphael unterrichtet Kinderschildkröten.