ACHTUNG: Dieser Newsletter könnte alberne Begriffe wie „woke culture“ enthalten
Die meiste Zeit bin ich gerne Teil des Superheld*innen-Comic-Fandoms. Diese Woche wurde unter anderem diskutiert, ob die lebendige Insel Krakoa aus den Comics ihr eigenes Hanf anbaut, ob Cyclops seine Brille beim Sex anbehält und welche Superheld*innen welchen Kink haben. Außerdem hat sich jemand im Spider-Man-Kostüm von einem Wolkenkratzer in Dubai abgeseilt und @FMummert hat Magneto-Zitate über ein Bild von einem Baby in einer Tomographen-Röhre gelegt. Dann gibt es aber auch diese nicht allzu kurzen Phasen, in denen das Fandom dermaßen toxische Formen entwickelt, dass ich mich frage, ob ich Superheld*innen-Comics überhaupt mag.
Und in den letzten Tagen kamen wirklich alle vier Reiter der Superheld*innen-Community-Apokalypse zusammen: Click-Baiter, Sexisten, „in den Comics ist es aber anders“-Dudes und aggressive Zack-Snyder-Fan-Boys (dazu gleich mehr). Alles fing an, als Scooperin Grace Randolph verkündet hat, dass der kommende Flash-Film große Teile des bisherigen DC-Extended-Universe rückgängig machen wird und sich zukünftig auf die Figuren Batgirl (gespielt von Leslie Grace) und Black Canary (Jurnee Smollett) konzentrieren wird. Scooperin bedeutet in diesem Fall eine Person, die durch Insiderquellen im Vorfeld geheime Dinge über Filme und Serien erfährt und dann publiziert. Man muss dem hinzufügen, dass Randolph auch schon falsch lag, öffentlich von der entsprechenden Regisseurin korrigiert wurde, und dann behauptet hat, die Regisseurin würde lügen. Diese Informationen sind also mit Vorsicht zu genießen. Allerdings ist die Prognose auch nicht ganz unwahrscheinlich. Der neuste Flash-Trailer zeigt deutlich, dass irgendetwas mit dem Multiversum passieren wird. Und Superheld*innen-Medien nutzen spätestens seit den Achtzigerjahren Parallelwelten und ähnliches, um die Handlung komplett neu zu starten. Man muss also kein*e Scooper*in sein, um auf diese Ergebnisse zu kommen. Ich hab im Oktober 2021 selbst ausgiebig darüber geschrieben.
Randolphs Twitter-Thread hat dann mehrere, fast ausschließlich männliche, Gruppen auf den Plan gerufen. Darunter waren selbstverständlich all die Sexisten, die vor einigen Jahren das Marvel Cinematic Universe als M-She-U bezeichnet haben, weil Filme angekündigt wurden, in denen mehr als eine Frau mitspielte. Diesmal haben sie sich den ebenso kreativen Namen D-She-U ausgedacht. Mal abgesehen davon, dass es D-She-EU heißen müsste, benutzen diese Youtuber Wörter wie „entmannen“ und „woke culture“ vollkommen ohne Ironie und ignorieren vollständig, dass sich der Film, der angeblich weiblich dominiert sein soll, um eine männlich gelesene Figur dreht: Flash. Mit dieser unerträglichen Community verknüpft sind ein paar Comicleser*innen, die darauf pochen, dass das Filmuniversum genauso wie die Comicwelt von der DC Trinität Batman, Superman und Wonder Woman angeführt werden muss. Da im März The Batman rauskommt und aktuell niemand wirklich etwas über Superman und Wonder Woman sagen kann, ist diese Befürchtung albern und auch wirklich unnötig.
Und dann gibt es noch Zack Snyder-Fans. Damit meine ich nicht pauschal alle, die den Watchmen-Film oder Army of The Dead mochten, sondern die laute und nervtötende Twitterblase, die Comicautor*innen belästigen und anderen verbieten, an Nicht-Snyder-Projekten Spaß zu haben. Die Geschichte, die sich diese Menschen seit Jahren erzählen, ist, dass Zack Snyder, der Regisseur von Batman V Superman und Men of Steel im Laufe der Dreharbeiten von Justice League alle kreativen Freiheiten entzogen bekommen hat und der Film nach dessen Austritt (seine Tochter ist tragisch verstorben) von Regisseur Joss Whedon, der damals übernahm, zerstört wurde. Auf dieser Grundlage entstand der Hashtag #ReleaseTheSnyderCut mit dem bis heute Tweets verfasst werden. Als Warner Bros. zusammen mit Snyder tatsächlich eine vierstündige Version des Films auf der Streamingplattform HBO Max herausbrachten, wurde das als großer Sieg für die Fans gefeiert. Penetrant etwas einfordern funktioniert, schlussfolgerte man. Es folgten #ReleaseTheAyerCut (offenbar hatte das Studio großen Einfluss auf Suicide Squad von David Ayer), #BringBackTheSnyderVerse und #MakeTheBatfleckMovie. Vor allem letzteres ist lustig, weil Batmanschauspieler Ben Affleck im Dezember darauf hinwies, dass er zukünftig nicht mehr an größeren Multiversumsprojekten teilnehmen möchte.
Vermutlich wird es diese toxischen Community-Anteile immer geben. Superheld*innen-Medien bedienen meistens sowohl Camp als auch individualistische Held*innen-Archetypen. Es macht nur Sinn, dass das Fandom dann ebenfalls aus links-queeren aber auch rechtsliberalen Menschen besteht.
Andere Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Da voraussichtlich erst im Mai neue Marvel-Projekte rauskommen, gibt es diese Woche nicht all zu viel zu berichten:
- Trailer für Naomi, eine CW-Show die am 11.01. rauskommt
- She-Hulk wird vermutlich im Marvel‘s Avengers-Game spielbar sein
- Eternals-Schauspielerin Lia Mchugh erwähnt beiläufig, dass der Film ursprünglich als Serie geplant war.
Comics, Comics, Comics
Suicide Squad #11
Langsam nimmt diese Comicserie, die anfangs noch sehr selbstgefällig war, Fahrt auf. Der Metahumor ist geblieben. Vor allem das neue Mitglied Ambush Bug spricht permanent die Leser*innen an. Was hinzu kommt, ist eine leicht verworrene Handlung, die ganz offensichtlich auf eine große finale Auflösung hinausläuft. Mit dabei ist natürlich auch Peacemaker aus dem The Suicide Squad-Film, der dort vermutlich reingemogelt wurde, um Werbung für die in Kürze erscheinende Peacemaker-Serie zu machen.
Darkhold: Omega
Jemand, der*die WandaVision oder Agents of S.H.I.E.L.D. aufmerksam gesehen hat, wird sich eventuell an ein mystisches Buch erinnern: Darkhold. Der ausgefranste Band mit Ornamenten erinnert nicht zufällig an lovecraftschen Horror. Es stammt aus dem dunkle Magie-Teil des Marveluniversums und bietet Autor*innen in der Regel die Möglichkeit, Zombies, Vampire und ähnliches in ihre Geschichten einfließen zu lassen.
Die Darkhold-Comicreihe beinhaltet bereits Geschichten mit Spider-Man, Wasp, Iron Man und natürlich Blade. In Omega erweckt Scarlet Witch (Wanda) unter anderem Omega the Unknown, ein fast vergessener Superheld aus den Siebzigerjahren. Ich bin gespannt, ob das noch Konsequenzen haben wird.
Frontiersman #4
Dieses Indiecomic von Patrick Kindlon und Marco Ferrari macht aktuell etwas, das ich so schon länger nicht mehr gesehen haben: eine unzynische Superheld*innen-Parodie für ein erwachsenes Publikum. Protagonist Frontiersman ist ein niedergelassener Superheld, der eigentlich nur in seiner Waldhütte in Ruhe sein Buch lesen will, aber immer mal wieder von bösen Robotern und ähnlichem attackiert wird. In Teil vier ist er natürlich wieder voll drin im Geschehen. CN: Sexuell explizite Inhalte.