Superqueeroes Teil 3. Disney und das „Don‘t Say Gay“-Gesetz
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Im März dieses Jahres ging ein Clip viral. Oscar Isaac, Schauspieler von Marvel-Superheld Moon Knight, sitzt vor einem riesigen Promo-Plakat und sagt (und singt?) das Wort „gay“ wiederholte Male.
Das Video hat für einiges an Belustigung und Freude gesorgt. Auf Tiktok schnitt es jemand mit einer Diashow von den Star Wars-Figuren Poe Dameron (gespielt von Isaac) und Finn zusammen, zwei Charaktere die von Teilen des Fandoms seit einer Weile als ein schwules Paar interpretiert werden.
Schaut man sich den Kontext des kurzen Ausschnitts an, ist das Ganze allerdings tatsächlich recht bitter. Ende März wurde in Texas das „Don’t Say Gay“-Gesetz verabschiedet. Das Unternehmen Disney, zu dem auch Marvel Studios und Lucasfilm gehören, hat damit auch entfernt etwas zu tun und ich denke seit Langem, dass ich etwas darüber schreiben müsste. Da ich mich allerdings wenig damit auskenne und das Thema ziemlich umfassend ist, habe ich Dr. Sabrina Mittermeier gebeten, uns das zu erklären. Sie verfolgt den Umgang des Unternehmens mit LGBTQIA+-Themen schon seit einer ganzen Weile länger.
Disney und „Don‘t Say Gay“ (Dr. Sabrina Mittermeier)
2022 ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass Disney sich im Epizentrum des sogenannten „Culture Wars“ – einem sehr beschönigenden Begriff für rechtskonservative Backlashe – befindet. Bereits in den 1990ern stritten sich nicht nur Historiker*innen um einen geplanten historischen Themenpark namens „Disney’s America“, der schlussendlich nie gebaut wurde, und Evangelikale boykottierten die Firma, nachdem sie den gleichgeschlechtlichen Partnern ihren Angestellten Vorsorgeansprüche zugesagt hatten. Auch rankten sich Verschwörungstheorien darum, dass Disney Animationsfilme Kinder sexualisieren würden. Dies soll nun jedoch nicht heißen, dass der Konflikt, der sich hier gerade zwischen Rechtspopulisten (vor allem der Christian Right) und der Walt Disney Company entspinnt, weniger besorgniserregend ist, nur weil er nicht neu ist – die Tatsache, dass dieser nun mit solcher Wirkungsmacht zurückkommt, und inzwischen viel weiter in die Mitte der Gesellschaft gerückt ist, ist gelinde gesagt alarmierend. Alles begann mit Disney’s finanzieller Unterstützung des republikanischen Gouverneurs von Florida, Ron de Santis, und der homo-, bi- und transphoben „Don’t Say Gay“-Bill, die dieser im März 2022 verabschiedete. Das Gesetz, offiziell die Florida House Bill 1557, verbietet es, an staatlichen Kindergärten und Schulen zu sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität zu unterrichten, bzw. darüber sogar öffentlich zu sprechen. Dass Disney de Santis finanziell unterstützt, ist übrigens nicht unüblich in den USA – Großkonzerne spenden jährlich an Politiker, und Disney hat dies sowohl schon für Demokraten als auch Republikaner getan, und auch in diesem Falle waren sie nicht die einzigen. Die Tatsache, dass das andere in Orlando ansässige Medienkonglomerat, Comcast/Universal, sich bisher kaum öffentlicher Kritik stellen musste, ist insofern durchaus interessant, produziert es doch genauso Familienfilme und betreibt Themenparks, unter anderem die Wizarding World of Harry Potter.
Disneys neuer und umstrittener CEO Bob Chapek jedoch sah sich auf Grund des öffentlichen Drucks gezwungen, sich von der Bill zu distanzieren – nicht zuletzt auf Grund des hohen queeren Anteils seiner eigenen Belegschaft, der sogenannten „Disney Cast Member”. Diese hatten sich mit walk outs und Dissens auf Social Media Kanälen der Disney Unterfirmen wie z.B. den Walt Disney Animation Studios, gegen das Gesetz und damit auch den eigenen CEO gestellt. Dies wäre in den 90ern noch undenkbar gewesen. De Santis reagierte auf die öffentliche Distanzierung Disneys prompt, und erwirkte die Auflösung des Reedy Creek Improvement Districts, dem gesetzlichen Sonderstatus des Landes, auf dem das Walt Disney World Resort gebaut ist. Dies soll Juni 2023 in Kraft treten, wobei hier wohl das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: Disney hätte hier durchaus rechtliche Einspruchsmöglichkeiten, da de Santis de facto nur gegen das Unternehmen vorgeht, weil sie sich für LGBTQIA+-Rechte eingesetzt hat – und dies in den USA unter Redefreiheit, also das First Amendment der US Constitution, fällt. De Santis sollte all das generell dennoch in die Karten spielen, immerhin positioniert er sich schon seit einiger Zeit als klarer Nachfolger Donald Trumps, und wird 2024 wohl als US-Präsidentschaftskandidat zur Wahl antreten.
Und auch im Juni 2022 ist „Woke Disney“ noch ein Schlagwort in rechtspopulistischen Kreisen und in den sozialen Medien, u.a auch wegen der Premiere des Pixar Films Lightyear. Durch die Debatte um „Don’t Say Gay“ wurde publik, dass eine Szene mit einem Kuss zweier Frauen ursprünglich geschnitten worden war – diese ist nun doch im Kino zu sehen, und entfacht weiter Feuer in der Debatte, die nun auch Akteure wie Ben Shapiro aufgegriffen haben. Im Juli erscheint dann außerdem Thor: Love and Thunder, der nun endlich Valkyrie (Tessa Thompson) als bisexuell bestätigen soll. Ausgerechnet Disney, das seit Jahren mit Zensur von LGBTQIA+-Repräsentation Schlagzeilen macht, oder sich zumindest sehr zurückhaltend zu dem Thema äußert, wird nun also wieder bezichtigt, einer „gay agenda“ zu folgen, und Kinder zu „groomen“ – diskursiv befinden wir uns damit also nun inmitten einer beängstigenden Debatte gegen LGBTQIA+-Rechte, die mit der massiven Transphobie der letzten Jahre und Monate nur ihren Anfang genommen hatte.
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