Spider-Man? Lies doch lieber mal ein Buch
Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über die aktuelle Woche in Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
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In diesem Newsletter wollte ich mich mit etwas beschäftigen, bei dem mir eigentlich die Expertise fehlt: Romane – die mit nur Worten, ganz ohne (wie es Herausgeber Winfried Hörning formuliert hat) „Bildunterstützung“. Zwischen Comics und Filmadaptionen hat sich nämlich ein Superheld*innen-Medium eingeschlichen, dem, vor allem in Deutschland, so wenig Beachtung geschenkt wird, dass ich es manchmal komplett vergesse: Novelizations.
Gemeint ist damit eine Buchadaption von schon existierenden Filmen. Dune gehört nicht dazu, weil die Reihe vor den Verfilmungen existiert hat. Der letztes Jahr erschienene Roman Shang-Chi and the Legends of the Ten Rings von Cynthea Liu, der mit einem dicken „Das Buch zum Film“-Sticker versehen ist, gehört zu dieser Gattung. Druckwerke dieser Art scheinen eine Abnehmer*innenschaft zu haben (sonst würde sie niemand drucken), werden aber kaum rezensiert, weder im Netz noch in den Printmedien. Ich habe in den letzten Tagen in meinem durchaus nerdigen Umfeld und auf Twitter ein wenig nachgehorcht, ob irgendwer diese Bücher liest. Entweder war man überrascht, dass sie existieren oder man war davon überzeugt, dass es sich dabei um minderwertige Nebenprodukte der Hollywood-Filmmaschine handelt.
Kürzlich hab ich mich selbst auf Twitter ein wenig über Novelizations lustig gemacht, als ich auf The Emoji Movie. Junior Novelization gestoßen bin. Der Gedanke, dass es ein komplettes Buch für Kinder zu dem ohnehin schon recht jugendfreundlichen Film über quietschige Emoticons (mit Sir Patrick Stewart als laufender Kacke-Smiley!) gibt, schien mir urkomisch. „Der Zauberberg. Junior Novelization“, kommentierte Twitterfreund Daniel Syrovy unter meinen Post darüber, was mich immer noch zum Lachen bringt. Würde ich die lesen? Definitiv!
Je mehr ich mich mit Novelizations beschäftige, desto mehr fiel mir auf, was für gut versteckte Goldstücke sich darunter finden lassen, wenn man erst mal seine Vorurteile abgelegt hat. Die Buchadaption von Sam Raimis Spider-Man 2 (2004) ist elegant geschrieben und enthält einige wirklich clevere Beobachtungen zum alltäglichen Wahnsinn eines*einer Superheld*in. Geschrieben hat das Buch Peter Allen David, ein Comicautor, der vor allem für Spider-Man 2099 und seine Arbeit an der Figur Hulk bekannt ist. Star-Trek-Fans kennen ihn vielleicht für Star Trek: The Next Generation – Imzadi oder seine anderen Bücher, die in demselben Universum spielen. David oder PAD, wie er sich selbst auf seinem Blog nennt, hat mindestens zehn Novelizations geschrieben, sieben davon zu Superheld*innenfilmen: Batman Forever, Hulk, Iron Man, Fantastic Four (der 2005-Version) und Spider-Man 1 bis 3. PAD scheint sich nicht so richtig auf ein Medium oder Format spezialisieren zu wollen. Und damit ist er nicht allein in diesem Bereich. Chris Claremont gilt als der Comicautor, der die X-Men in den Siebzigerjahren vor der Absetzung bewahrt hat. Was ich bisher nicht wusste: Er hat außerdem die Buchadaptionen von X-Men 2 und 3 geschrieben. Beide machen Spaß zu lesen, selbst wenn Claremont eine gewisse Tendenz zu Schwulst und Melodrama hat. Auch Preeti Chhibber ist in mehreren Bereichen tätig. Diese Woche feierte sie ihr Comicdebut mit Women of Marvel und berichtete auf Tiktok wie ihre Marvel-Kinderbücher zu einer Zusammenarbeit mit Marvel Comics geführt haben. Alex Irvine, Autor der Iron Man 2-, Spider-Man: Homecoming-, Thor-, Civil War- und Captain America-Novelization, hat Helstorm: Son of Satan und eine Iron Man-Miniserie geschrieben.
Auch nach vielem Querlesen und Informieren über dieses Literaturgenre scheinen mir Buchadaptionen immer noch kurios. Viele Jugendliche werden Novelizations vermutlich von ihren wohlmeinenden Eltern geschenkt bekommen. „Hier, du magst doch Marvelfilme, lies doch mal ein Buch.“ Aber andere kaufen sich Shang-Chi and the Legends of the Ten Ring vermutlich mit voller Absicht und freuen sich darauf. Der eigentliche Reiz der Gattung besteht nämlich aus den Zusatzinformationen und dem Kontext, den eine Spielfilmlänge nicht bieten kann. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Jean Grey gerne Dune und Childhood's End gelesen hat? Spider-Man 2 ist voller Comicanspielungen, die sich in den 127 Minuten Laufzeit des Original nicht finden lassen. Dass das der eigentliche Grund für den Kauf ist, begreifen auch viele Verlage. Random House veröffentlichte vor Kurzem Before the Batman: An Original Movie Novel, ein Buch, das vor den Ereignissen des The Batman-Films spielt und dabei eine Art Frankensteinmonster zwischen Adaption und Prequel ist. Ich hab es schon auf meine Bestellliste gesetzt.
Andere Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Das Computerspiel Gotham Knights wird voraussichtlich am 25. Oktober erscheinen.
Die Erscheinung der dritten Staffel von Harley Quinn ist noch für dieses Jahr angesetzt.
The Batman kommt in Nordamerika vermutlich schon ab April auf HBO Max. Ob das einen zeitgleichen Release auf Sky in Deutschland bedeutet ist nicht unwahrscheinlich, aber noch unklar.
Neuer Trailer zu DC League of Super-Pets mit Keanu Reeves als Batman
Mehrere Superheld*innen-Filme verschoben. Darunter: The Flash und Black Adam
Ein The Batman-Spin-Off zum Bösewicht Penguin nun offiziell
Neuer Moon Knight-Trailer und Poster
Comics, Comics, Comics
Captain Carter #1
Ich habe sehr lange auf dieses Comic gewartet. Diese Alternativversion von Steve Rogers/Captain America hatte 2018 ihren ersten Auftritt in Exiles #3, einer Reihe über Zeitsprünge und Parallelwelten (Cartoon-Wolverine spielt mit!). Richtig bekannt geworden ist sie aber erst in der animierten, im Marvel Cinematic Universe angesiedelten Serie What If. Jetzt endlich hat sie ein eigenes Comic bekommen. Und es ist alles, was ich mir gewünscht habe. Nach Jahrzehnten im Eis ist diese Peggy Carter gleichermaßen überrascht über moderne Events und genervt über nach wie vor patriarchale Politik. Ein Nazis-verprügelnder-auf-den-Tisch-hauender Spaß.
Spider-Gwen: Gwenverse #1
Marvel macht in letzter Zeit häufiger Varianten-derselben-Figur-interagieren-miteinander-Storylines. Im letzten Newsletter habe ich über What if … Miles Morales geschrieben, eine Comicreihe, bei der Miles Morales mal eine Version von Captain America, mal eine von Wolverine ist. Gwenverse macht ähnliches, indem sie Gwen Stacy mit Spider-Gwen und Thorgwen auftreten lässt. Das ganze ist verwirrend, bunt und ich mag es sehr.
Devil‘s Reign: Moon Knight #1
In der mehrere Comics umfassenden Devil‘s Reign-Reihe ist Wilson Fisk aka Kingpin zum Bürgermeister geworden und hat Superheld*innen verboten. Um dieses Gesetz durchzusetzen, arbeitet er mit den Thunderbolts zusammen, einem Team aus Bösewichten. Devil‘s Reign: Moon Knight erzählt die Geschehnisse aus der Perspektive des weißgekleideten Rächers Moon Knight. Die ohnehin schon düstere Stimmung des Events nutzen Jed MacKay und Federico Sabbatini, um Moon Knight so brutal erscheinen zu lassen, wie möglich. Wer gritty Mencore-Comics mag...