„Rapper sind nicht bulletproof wie Batman“
Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
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Als ich vor etwa drei Jahren anfing vermehrt über Superheld*innen zu schreiben, fiel mir eins direkt auf: Superheld*innenkultur ist nicht nur Teil einer Fangruppe; sie ist allgegenwärtig. Kinder tragen Spider-Man Schulranzen, zum Fasching werfen sich einige Umhänge um; für ein möglichst unaufwendiges Kostüm und Wonder Woman prangt auf mehreren Demonstrationsplakaten. Superheld*innen gehören zu unserem Wortschatz und unserer Bildsprache. Das ist mir wieder besonders klar geworden, als ich mit meiner Freundin Bea über Superheld*innen-Metaphern im Deutschrap gesprochen habe. Sie schreibt aktuell ihre Doktorarbeit über Deutschpop und ist außerdem ein riesiger Marvelfan. Ich freu mich deswegen sehr, dass sie hier ihre Gedanken dazu ausformuliert hat.
Wieso Deutschrapper*innen auf Superheld*innen stehen (Bea May)
Seit Monaten liegt uns Nina Chuba in den Ohren, sie wolle „fliegen wie bei Marvel“. Ob sie nun gerne aus eigenen Kräften fliegen können würde (wie Scarlet Witch), einen Anzug zum Fliegen hätte (wie Iron Man) oder ein hochtechnologisches Fluggerät (wie einen Quinjet oder den Goblin-Glider), erfahren wir leider nicht. Das Marvel-Wiki verzeichnet 125 Luftfahrzeuge und da sind die Weltraumfahrzeuge noch gar nicht dabei.
Nachdem ich die Marvel-Line in Wildberry Lillet gefühlt mehrere hundert Male gehört hatte, habe ich nach weiteren Comic-Referenzen im Deutschrap gesucht und Jonas zu seinem Leidwesen mit Zeilen wie „Ich bin sowas wie Batman und Bruce Wayne / Tagsüber Familienvater, abends in den Puff gehen“ (K.I.Z.: H.I.T., 2011) oder einer leicht peinlichen Verwechslung von Iron Man und Bumblebee bei KC Rebell und Summer Cem bombardiert, bis er mir erlaubt hat, seinen Newsletter für einen genaueren Blick auf das Phänomen zu nutzen.
Deutschrap ist vollgepackt mit popkulturellen Referenzen und Superheld*innen funktionieren besonders gut: Nur ein Name bringt ein ganzes Set von Charaktereigenschaften und Narrativen mit sich. Andere drängen sich für Sprachspiele geradezu auf. Wortwitz-Fetischist Kollegah scheint gar nicht genug von Spider-Man-Vergleichen zu bekommen: „Und dein Leben hängt am seidenen Faden wie Spider-Man“ (Fanpost, 2009), „Ich hab’ die Fäden in der Hand wie Spider-Man“ (Königsaura, 2014) oder – Achtung Homophonie – „Lass die Spinnerei’n [Spinne rein], als ob Spiderman anklopft“ (Omega, 2014). Capital Bra legt in Es geht ums Geschäft (2017) direkt nach: „Und du, mach nicht auf Gangster, du bist einer, der sich wegdreht / Und abstürzt wie Spider-Man, wenn ihm mal das Netz fehlt“. Klassische Metaphern wie das Sicherheitsnetz oder die Marionette, bzw. der*die Marionettenspieler*in bekommen über Spider-Man einen popkulturellen Touch.
Auch Bushido nutzt das in seinem Feature-Part auf Ali Bumayes Best Friends (2016): „Du kriegst Schellen in deiner Bikergang / Aber Sonny zieht die Fäden so wie Spiderman“. Interessanter ist aber der Superheld*innen-Vergleich, den Bumaye selbst in diesem Song bringt: „Rapper sind nicht bulletproof wie Batman / Ihr seid Pussies so wie Catwoman“. Hier sind wir mittendrin in der wohl beliebtesten Nutzung von Superheld*innen-Referenzen: Sie eignen sich hervorragend zur Selbstaufwertung und zur Abwertung der anderen.
Bumaye bezeichnet seine Gegner als „Pussies so wie Catwoman“, was als Beleidigung für Männer deshalb so gut funktioniert, weil Frauen im Rap allgemein als geringwertig angesehen werden. Dabei bezieht sich Bumaye hier auch gar nicht auf die Stärken einer Superheldin wie Catwoman, sondern nutzt allein die Katze als gemeinsame Bedeutungsebene. Andere Rapper werden – im Gegensatz zu Batman – als nicht kugelsicher bezeichnet und ihnen werden so Verletzbarkeit und Schwäche zugeschrieben. (Der restliche Part des Songs dreht sich darum, wie Bumaye mit einer Maschinenpistole andere Rapper erschießt und sich so als den Härteren geriert.)
Gerne vergleichen sich Gangsta-Rapper mit Batman, da deren Männlichkeitsideal eine große Schnittmenge mit der von Batman vertretenen Männlichkeit hat: Der Superheld hat keine übernatürlichen Kräfte sondern Muskeln, ist unabhängig und durchsetzungsstark, charismatisch, hat das Para und die krasse Karre und ist mit Wayne Enterprises dick im Business – wenn auch ererbt und nicht selfmade, wie es das Aufstiegsnarrativ des Raps eigentlich fordert. Lines wie Eko Freshs „Reich so wie Batman, yes ich bin Ekrem“ (Ekrem, 2011) oder „Aber PA sorgt hier für Recht und Ordnung wie Batman“ (100 Bars Reloaded, 2012) von PA Sports liegen damit auf der Hand.
Dass die Batman-Referenzen nicht immer zu Ende gedacht werden, sieht man in von RAF Camoras Gotham City, der aus dem Wiener Bezirksteil Fünfhaus kommt. Erst rappt er noch „Bin über den Dächern wie Batman, denn / Fünfhaus ist Gotham City“, um dann in der Hook einen Zusammenstoß mit der Polizei zu schildern und sich eindeutig auf der kriminellen Seite der Machtverhältnisse zu positionieren, obwohl Batman doch eigentlich gegen Kriminelle/das Böse kämpft. Als Straßenrapper das eigene Viertel als Gotham City zu bezeichnen und es so als düstere, unheilvolle und hostile Umgebung zu beschreiben, erscheint mir allerdings ganz passend.
Kollegah macht die Gut-Böse-Nummer etwas besser, wenn er die Verbindung zu Bane zieht – „Wenn der Boss mal was übers Knie bricht, dann wie Bane bei Batman“ (Dear Lord, 2018) – und so den ikonischen Todesstoß aus Knightfall #5: Broken Bat zitiert. Das Verhältnis zwischen Privatperson und Rap-Persona wird auch ganz gerne mal mit der Superheld*innenidentität parallel gezogen: „Was heißt es denn schon, wenn jeder dich feiert / Wenn dich eigentlich so wirklich keiner kennt, / als wärst du ’n fucking Geheimagent? / Oder Spider-Man, oder Iron Man / Irgend so’n scheiß Superheld, nur ohne schwule Nylon-Pants“ (Kollegah: Monument (Outro), 2018). Damit das bloß keine falschen Assoziationen zu campy bunten Held*innen in Strumpfhosen weckt, distanziert sich der für seine homophoben Lines bekannte Rapper davon, indem er das als ‚schwul‘ abwertet. Für den Gangsta-Rap eignet sich also vor allem eine dark, gritty, grim Comicwelt. Ein bisschen Farbe bringt Kollegah immerhin mit Hulk ins Spiel: „Rapper sehen auf meine Rolex und ärgern sich grün so wie Bruce Banner“ (Hero, 2008) – ein klassischer Flex in Superheld*innen-Variation. Auch über seine körperliche Erscheinung tritt Kollegah in einen Wettbewerb mit seinen Rivalen ein und präsentiert sich – mit einer weiteren Hulk-Referenz – als der muskulösere und stärkere Mann: „Ich seh’ aus wie Hulk, diese Lauchgestalten sind klein und süß“ (Königsaura, 2014). Farid Bang hingegen gesteht seinem Gegner zumindest Kampf-Skills zu, die gegen seine Kraft aber kaum von Nutzen sind: „Du gegen mich ist wie Hulk gegen Jackie Chan“ (Outro (Asphalt Massaka 3), 2015).
Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen scheinen Rapperinnen sich seltener – und dann anders – auf Superheld*innen zu beziehen. Ich kenne zumindest keine im Deutschrap, die sich explizit mit einer Superheldin (oder einer Schurkin) vergleicht. Nina Chuba will allgemein „fliegen wie bei Marvel“. Bei Shirin David ist es am Ende nur die Hosenlänge: „Glitzershorts knapper als bei Harley Quinn“ (Man’s World, 2021).
Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Shazam: Fury of the Gods schneidet unterdurchschnittlich an der Kinokasse ab. Schauspieler Zachary Levi gibt in einem eher inkohärenten Instagram-Video unter anderem Dwayne Johnson die Schuld dafür. In einem Podcast-Interview erzählt er außerdem, Marvel Studio-Chef Kevin Feige habe ihn belogen.
Neuer Trailer für Spider-Man: Across the Spiderverse
Neuer Trailer für Secret Invasion
Marvel Studios hat sich bis jetzt nicht zu den schweren Vorwürfen gegenüber Kang-Schauspieler Jonathan Majors geäußert.
Disney feuert den ehemaligen Marvel Entertainment Chef Ike Perlmutter und Produzentin Victoria Alonso.
Comicillustratorin, Autorin und Transaktivistin Rachel Pollack stirbt im Alter von 77.
Erste Bilder von Lady Gaga als Harley Quinn in Joker 2
Morbius-DLC für das Spiel Midnight Suns erscheint.
In seinem letzten Update macht das Spiel Marvel’s Avengers alle kosmetischen Upgrades gratis.
Die aktuelle Poison Ivy-Comicreihe gewinnt den GLAAD (Gay and Lesbian Alliance Against Defamation) Media Award für Outstanding Comic 2022.
Mehrere US-amerikanische Politiker*innen fordern eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Warner Bros und Discovery-Merger, der unter anderem dafür gesorgt hat, dass der Batgirl-Film eingestampft wurde.