Castet endlich BiPOC-Schauspieler*innen für X-Men
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Für eine Geschichte über eine Gruppe von Menschen, die unter Verfolgung, Unterdrückung und Ausgrenzung leiden, sind die X-Men erstaunlich cis, hetero und „weiß“. Sicherlich gibt es queere und Schwarze Figuren in diesem Superheld*innen-Team; vermutlich sogar überdurchschnittlich viele. Aber zu einem großen Teil handeln X-Men-Comics, -Filme und -Serien von „weißen“ Charakteren, die diskriminiert werden, weil sie Feuerbälle schießen können.
Am 28. September 1963 fand der Marsch auf Washington statt, bei dem Martin Luther King seine „I have a Dream“-Rede hielt. Etwa eine Woche später erschien X-Men #1. Eines der Hauptthemen: die Angst vor dem Fremden. „The human race is not yet ready to accept those with extra powers“, sagt Professor Xavier in einem Panel. (Kurz bevor die einzige Frau im Team sexuell belästigt wird – aber darüber ein anderes mal mehr). Anders als viele andere Superheld*innen mussten sich die X-Men verstecken; nicht vor Bösewicht*innen, sondern aus Angst vor der Gesellschaft. „Instead of them just being heroes that everybody admired, what if I made other people fear and suspect and actually hate them because they were different? I loved that idea; it not only made them different, but it was a good metaphor for what was happening with the civil rights movement in the country at that time“, erzählt X-Men-Miterfinder Stan Lee in einem Interview mit dem Guardian im August 2000 zum Release der ersten Filmadaption. Warum zur Hölle dann jeder der ursprünglich sechs Held*innen „weiß“ ist, wurde Lee nicht gefragt.
„Fantastic Racism“ nennt die Wiki tv-tropes es, wenn Rassismus anhand von Fantasiewesen abgehandelt wird. Statt „weiße” Leser*innen mit tatsächlich gerade stattfindendem Hass gegenüber BiPoC zu konfrontieren, erzählt man Geschichten über Trolle oder Elfen, die Diskriminierung aufgrund der Form ihrer Ohren erfahren. „Mutant and proud“, ruft Jennifer Lawrences wennman Rassismus „gewhitewashed“ damit nicht-Schwarze Zuschauer*innen nachfühlen können, wie es ist, systematisch unterdrückt zu werden.
Ich denke, es ist Zeit für einen X-Men-Film, der ausschließlich mit BiPOC-Schauspieler*innen besetzt ist. Spätestens seit 2019 sind die Urheberrechte für die Franchise wieder bei Marvel Studios und es wird überlegt, wie man sie zeitgemäß rebooten kann. Breaking-Bad-Schauspieler Giancarlo Espocito hat bereits Interesse bekundet, Charles Xavier zu spielen. Nachdem mehrere Fans auf Twitter darauf hinwiesen, wie gut sich Keke Palmer als Rogue eignen würde, verkleidete diese sich entsprechend an Halloween (Titelbild des Newsletters). Auf Reddit lassen sich gephotoshoppte Poster von Janelle Monáe als Dazzler finden. Und Künstler Jônathas Luz hat Jeremy Pope als Cyclops gemalt.
Seit sechzig Jahren stehen die X-Men metaphorisch für die Unterdrückung und Ausstoßung von Menschen allgemein und der Civil Rights Movement im Speziellen. Eine Offenlegung dieser für manche nicht ersichtliche Metaphorik ist der konsequente nächste Schritt in der Evolution der Geschichte. Wenn man die Auseinandersetzung mit Ausgrenzung, Ausbeutung und Unterdrückung ernst nimmt, reicht eine Metapher nicht aus. Wir hatten zwei vollständige Filmreihen mit Charles Xavier und Magneto im Mittelpunkt eines Konflikts. Es ist Zeit für etwas Neues.
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