Bucky – die Mörderpuppe
Willkommen bei Fan Theory of Everything, einem Newsletter über die aktuelle Woche in Superheld*innendebatten, -gossip und Comics. Mal funny-haha, mal funny-merkwürdig, mal beides. Es ist ein Versuch, eine Schneise durch das dicht verflochtene Gestrüpp zu schlagen, das über 90 Jahre Superheld*innengeschichte hervorgebracht haben.
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In eigener Sache: Ich mache eine kurze Frühlingspause bis Anfang April. Ende März plane ich einen wöchentlichen Twitterdiskussions-Space zur Moon Knight-Serie, die am 30. startet. Schaut gerne vorbei.
Manchmal stoße ich förmlich mit der Nase auf ein Thema für meinen Newsletter. Diese Woche war so ein Glücksfall. Am Montag hatte ganz Comic-Twitter einen Heidenspaß mit einer merkwürdig aussehenden Action-Figur. Der Spielzeughersteller SWToys brachte vor Kurzem eine Plastikfigur heraus, die auf der Marvelserie WandaVision beruht. Weil SWToys nicht offiziell die Linzenzrechte dafür besitzt, trägt die Puppe den Namen „Lady Spooktacular“, und das ist noch nicht mal das Lustigste daran. Was gleichzeitig für Irritation und zur Erheiterung geführt hat, war ihr Gesichtsausdruck.
Es hilft zu wissen, dass Elizabeth Olsen, die Wanda Maximoff in der Serie spielt, den Gesichtsausdruck tatsächlich in einer Halloween-Folge gemacht hat. Wenn die Action-Figur also aussieht wie eine entnervte Vorort-Mutter aus einer Soap im Partykostüm, dann ist das durchaus so gewollt. Trotzdem wirkt es in Plastikform absurd. Vielen ist sofort aufgefallen, dass der Gesichtsausdruck sehr nach dem bekannten „Welp“-Meme aussieht. Andere photoshoppten Mansplaining-Memes daraus, bei denen Wanda ins Nichts starrt, während ihr ein Mann etwas ins Ohr grölt. Comic-Twitter hatte offensichtlich einen spaßigen Tag.
Das alles ließ mich über Superheld*innen-Spielzeug allgemein nachdenken und wie es dazu beiträgt, dass wir uns bestimmte Charaktere metaphorisch und wörtlich aneignen. In der Netflix-Dokuserie The Toys that made us wird unter anderem deutlich, wie sehr Plastikfiguren zum Stoytelling beitragen und nicht nur Nebenprodukte sind. Die TV-Serie Teenage Mutant Ninja Turtles zum Beispiel, die eigentlich auf einem satirischen Independent-Comic basiert, das die Macher in ihrem Keller zusammentackerten, würde so nicht existieren, wenn sich das Studio parallel dazu nicht eine Spielzeugserie vorgestellt hätte.
Merchandise bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten sich unter seinen eigenen Bedingungen mit einer fiktiven Realität auseinanderzusetzen. In den letzten Wochen erzählte mir eine Freundin, wie sich ihr siebenjähriger Sohn mit seinem Marvel LEGO Szenarien ausdenkt, ohne jemals einen Film gesehen zu haben. „Meistens fahren Nick Fury und die anderen irgendwohin zusammen in den Urlaub“. Zu Funko Pops, die Figuren mit den großen Köpfen und den schwarzen Knopfaugen, gibt es eine zugehörige Brettspielreihe: Funkoverse. Spieler*innen können wahllos Charaktere aus unterschiedlichen Welten wie DC Superheld*innen und Game of Thrones Schwertkämpfer*innen mischen. Einer der größten Hersteller der Welt Hasbro produziert sowohl Marvel als auch DC Plastikfiguren, oft in einem ähnlichen Look. Während die zwei Universen in Filmen und Comics nur im absoluten Ausnahmefall miteinander in Kontakt treten, begegnen sich der Winter Soldier und Superman in Sammlervitrinen und Kinderzimmern regelmäßig.
Ich schreibe immer mal wieder darüber, wie Actionfiguren und ähnliches Teil der Berichterstattung sind. Kürzlich spoilerte Spielzeug Details über den Thor: Love and Thunder-Film, zu dem es noch nicht mal einen Trailer gibt. Und regelmäßig wird Funko Pop dafür kritisiert, die Hautfarbe ihrer Plastikadaptionen deutlich heller zu gestalten. Dabei wenig beachtet habe ich bisher, welche entscheidende Rolle das Ganze beim Storytelling von Superheld*innen-Medien spielt. Dass es mittlerweile gruselig-realistische Off-Brand-Figuren zu den Filmadaptionen gibt, statt zu den Comics, zeigt zum Beispiel, dass die Aufmerksamkeit sich zunehmend auf Serien und Kino richtet und nicht auf das Originalmaterial. Obskurere Funko Pops wie Rainbow Batman oder LEGO-Figuren wie Zombie Captain America machen deutlich, dass die absurden Seiten des Genres auf großes Interesse stoßen. Ich habe mir nun vorgenommen zukünftig auch auf diese Aspekte von Cross-Media-Unterhaltung zu schauen.
Andere Superheld*innen-Nachrichten diese Woche:
Neuer Trailer zu The Boys
Daniel Radcliffe äußert sich zu Wolverine-Gerüchten
Gamedesigner Hideo Kojima nennt seinen Lieblings Batman-Film und Newsseiten berichten darüber (Warum auch immer).
Noch ein Trailer für Moon Knight
Die Ex-Netflix-Serien Daredevil, Jessica Jones, Luke Cage, Iron Fist, The Punisher und The Defenders sind mittlerweile auf dem amerikanischen Disney+ zu sehen. Wann sie in Deutschland erscheinen, bleibt unklar.
Sowohl DC als auch Marvel kündigen Comics mit queeren Figuren für Pridemonth Juni an.
Superheld*innen in Netz
Die Disney+-Serie Ms. Marvel hat diese Woche einen Trailer und ein Poster bekommen. Eigentlich Grund zur Freude. Die Figur Kamala Khan aka Ms. Marvel, eine pakistanisch-amerikanische Teenagerin aus New Jersey, ist seit ihrem ersten Auftritt 2013 ein Fanliebling und Protagonistin des bigbudget Marvel‘s Avengers-Computerspiels von 2020. Viele lobten den Comiclook des Trailers und die charmante, bubbly Art der Schauspielerin Iman Vellani, die Kamala verkörpert. Überdeckt hat das alles allerdings die Tatsache, dass Ms. Marvels Superkräfte geändert wurden. In den Comics hat sie die Fähigkeit ihre Gliedmaßen nach Belieben zu verlängern und zu vergrößern. In der Serie scheint sie mithilfe eines hightech Armbands kosmische Energie kontrollieren zu können. Um zu erklären, warum das für so schwere Enttäuschung gesorgt hat, muss ich ein wenig von ihrem Comichintergrund erzählen. Keine Sorge. Ich mach‘s kurz.
In den Zehnerjahren gab es in den Marvelcomics ein Großevent: den Terrigen Mist, mehrere künstlich erzeugte Gaswolken, die Gene sogenannter Inhumans aktivieren und ihnen Superkräfte geben. (Gleichzeitig wurden dadurch Mutanten bedroht, eine andere fiktive Spezies im Marveluniversum. Aber das ist eine andere Geschichte). Eine dieser Inhumans war Kamala Khan. Bevor sie anfing Thomas-Edison-Klone/Papageienbösewichte zu verhauen (Lest den Run von 2014, er ist super spaßig!), war sie ein Superheld*innen-Superfan. Ihr Vorbild: Captain Marvel, eine blonde, „weiße“ Frau, nach der sie sich dann auch später benennt. Ein Großteil von Kamalas Originstory besteht darin, dass sie anfangs ihre Körperform-Fähigkeiten dazu verwendet, sich in eine blonde, „weiße“ Superheldin zu verwandeln, bis sie begreift, dass sie nicht zu sich selbst finden kann, wenn sie andere kopiert. Stilistisch sorgen ihre Kräfte in den Comics für einen Genremix aus westlicher Superheld*innenoptik und cartoonischer Mangadynamik. „Sorry I don‘t exactly have quiet pretty powers.“ sagt sie in einem Panel.
Vor diesem Hintergrund kann ich die Enttäuschung über die Änderung ihrer Superkräfte durchaus nachvollziehen. Es geht nicht nur um einen Powerset-Austausch. Es wurde ein wichtiger Bestandteil ihres Charakters ausgetauscht. Kamala formt sich offenbar nicht mehr äußerlich und innerlich zu einer eigenständigen Figur. Ein Armband hilft ihr eine Superheldin zu werden, die Captain Marvel verdächtig ähnlich ist.
Warum Ms. Marvels Fähigkeiten geändert wurden, ist bisher unklar. Vermutlich möchte Marvel Studios möglichst wenig an ihre Marvel‘s Inhumans-Serie von 2017 erinnern. Die war ein dermaßener Flop, dass sie nach einer Staffel abgesetzt und vom offiziellen Marvel Cinematic Universe vollständig ignoriert wurde. Ms. Marvel ist im MCU also vermutlich nicht inhuman, sondern einfach im Besitz von Alientechnologie…